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Fünf Dinge, die mir in den USA gefallen

Nach einem holprigen Start in den USA möchte ich dieses Land mit seinen herausragend positiven Seiten darstellen: Es gibt Dinge, die mir in Austin sehr gut gefallen. Und die möchte ich mit euch teilen. Nicht nur weil ich einfach unglaublich gerne teile, sondern auch als Anregungen, was wir in Deutschland noch besser machen könnten.

Apartment-Komplexe mit Fitnessstudio und Aufenthaltsbereichen

Zum Glück zahlt meine Firma meine Miete, sonst könnte ich mir eine Wohnung im Quincy, Austin absolut nicht leisten. Aber es gibt auch erschwinglichere Apartment-Komplexe, die Annehmlichkeiten bieten. Ganz typisch sind Fitnessstudio, ein Pool und ein Aufenthaltsbereich mit Kaffeeküche. Bei mir sind zum Beispiel auch Arbeitsbereich und ein Fahrradraum dabei.

Das Fitnessstudio im Apartmentkomplex bietet gleich mehrere Vorteile: Das niederschwellige Angebot hilft ungemein die eigene Bequemlichkeit zu überwinden. So kann man auch spontan, zum Beispiel vor oder nach der Arbeit mal eine Runde laufen gehen.

Darüber hinaus sind nur Mieter des Komplexes hier. Deshalb ist es meistens nicht so voll. Außerdem, und das fällt mir etwas schwer zuzugeben, finde ich es angenehm einen sozialen Mix zu haben. Ich habe mich in der testosteronschwangeren Atmosphäre meines Fitnessstudios in Dresden oft unwohl gefühlt. Ich fühle mich ein bisschen besser, wenn ich nicht der einzige „Lauch“ in der Muckibude bin. Schließlich möchte ich mich fit halten und nicht meine kostbare Zeit in Bodybuilder-Aspirationsfantasien investieren.

Die verbringe ich lieber in den Aufenthaltsbereichen. Die sind oft wohnlich möbliert und mit weiteren Annehmlichkeiten, wie Billardtischen und Bluetooth-Lautsprechern ausgestattet. Das allerbeste daran ist allerdings, dass man sich hier mit Freunden oder alleine aufhalten kann ohne etwas konsumieren zu müssen. In diesem hyperkommerzialisierten Land ist dieser Rückzugsort für mich unglaublich wertvoll. Fun-fact: Diese Liste entsteht gerade im Aufenthaltsbereich meines Apartmentkomplex.

Perfekt gepflegte National Parks

Auf meiner „Bucket-List“ steht der Besuch der US National Parks ganz oben. Mit einem lieb gewonnenen Freund habe ich kürzlich drei Parks besucht: Guadalupe Mountains, White Sands und Carlsbad Caverns.

Es ist eine stundenlang Fahrt durch eine wüste Ebene (oder ebene Wüste?), deren höchste Erhebungen die ikonischen Ölbohrtürme sind, bis man von Austin aus diese National Parks erreicht. Das und die wohl schlechteste Pizza aller Zeiten aus einem Pizza Hut in Pecos sind es aber allemal Wert.

Wenn man auf dem McKittrick Trail im Guadalupe National Park läuft, findet man keinen weggeworfenen Zigarettenstummel an den Wegrändern. Wenn man durch den weißen Sand von White Sands läuft, ist trotz der vielen Besucherinnen und Besucher keinerlei Verpackungsmüll im Sand vergraben. Und in Carlsbad Caverns brechen sich trotz der immensen Größe Touristen keine Souvenire aus den Stalagmiten1.

Einen National Park zu besuchen ist ein bisschen wie das Betreten einer heiligen Stätte. Es ist ein Sakrileg, diese Tempel der unberührten Natur mit seinem Abfall zu entehren. Ich habe mich kaum getraut, einen Apfelbutzen in einen Busch zu werfen.

Was das Erfolgsrezept der amerikanischen Nationalparks ist, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Sicher sind die atemberaubende Natur, ausreichende finanzieller Unterstützung und eine gelungenen Öffentlichkeitsarbeit essentielle Bestandteile.

1 Stalagmiten sind die Säulen, die nach oben wachsen. Stalaktiten wachsen nach unten. Meine neu gelernte Merkregel: Das m ist nach oben gewölbt, das t nach unten.

Anti-Diskriminierungstrainings

Zur üblichen Onboarding-Prozedur gehört auch, dass mir gleich zu Beginn eine ganze Stange an Trainings zugewiesen wird. Darunter war auch ein obligatorisches „Anti-Diskriminierungstraining“, das ich so lange aufgeschoben habe, wie es ging. Aus Deutschland bin ich gewohnt, eine Online-Präsentation durchzuklicken und am Ende zehn bis fünfzehn super spezifische aber wenig verständnisfördernde Fragen zum Training zu beantworten.

Auch wenn das Training hier nicht an den Säulen „online“, „durchklicken“ oder „Abschlusstest“ rüttelt, gibt es hier Videos, die den Inhalt plastisch vermitteln. Die Fragen zur Überprüfung des Lerninhalts ergeben sogar Sinn und wirken nicht aus der Luft gegriffen.

Darüber hinaus ist es allerdings weit mehr als dieses Training. Die gesamte Kultur legt sehr viel Wert darauf, diskriminierungsarm zu sein. Die mangelnde Reflektion, die ich vielen Amerikaner*innen bei Umweltbewusstsein und Politikverständnis vorwerfe, wäre bei der Inklusion definitiv unangebracht.

Es scheint auf den ersten Blick paradox, dass das Land des Individualismus mit einer sehr ungleichen Gesellschaft so viel Wert auf Gleichbehandlung legt. Vielleicht ist es gerade das öffentliche Bekenntnis zur Gleichbehandlung, das diese Gesellschaft mit sehr ungleichen Ausgangsbedingungen zusammenhält. Mit Sicherheit ist es eine Folge der soziopolitischen Entwicklung der Vereinigten Staaten.

Begehbare Wandschränke

Kleiderschränke nehmen Platz weg, bei jeder Bewegung brechen Rückwände heraus und egal wie man den Schrank platziert entstehen schwer zugängliche Ritzen, in denen sich der Staub sammelt. Vielleicht hat man auch einen schönen, alten Kleiderschrank, der sich aber schlecht mit den anderen Möbeln kombinieren lässt. Oder man stellt sich einen super teuren Einbauschrank nach Maß zusammen, den man dann aber beim nächsten Umzug nicht mitnehmen kann.

Deshalb bin ich ein designierter Fan von begehbaren Kleiderschränken. Seine Klamotten und auch anderen Krempel hinter einer Wand zu verstecken ist so naheliegend wie genial. Der Platz für den begehbaren Kleiderschrank würde ohnehin durch einen Kleiderschrank eingenommen werden und so hat man statt einer Schrankfront lediglich eine Wand, an der man ein Bild oder ein Regal platzieren kann.

Ich behaupte, dass sich beinahe jede Wohnung problemlos nachrüsten und aufwerten lässt. Für den Preis eines großen Wandschranks lässt sich eine Trockenbauwand mit Gipskarton einziehen. Verputzen, Tapete drüber, einen Teppich und eine Kleiderstange rein und fertig ist der perfekte Stauraum. Das wird auch jede Nachmieterin liebend gerne übernehmen!

Dachterrassen

Es gibt Plätze, die sollten für die Allgemeinheit zugänglich sein. Dazu gehören Parks und Wälder. Leider gibt es von beiden in Austin nicht ausreichend.

Dafür gibt es reichlich Dächer. Ganz egal, ob es der private Apartmentkomplex, das Bürohochhaus oder das Hotel in der Innenstadt ist: Der schönste Ort, die Dachterrasse, ist zugänglich.

Um dem Lärm der Häuserschluchten und der Straßen zu entgehen ist nichts naheliegender, als auf das Dach zu flüchten. Insbesondere wenn die Stadt in der Nacht leuchtet, ist ein kaltes Getränk beim Beobachten der sich bewegenden Punkte und Formen weiter unten beruhigend. Es hat etwas meditatives, in die Weite zu starren und die Gedanken schweifen zu lassen.

Der milde Wind dämpft den Lärm. Aus der Distanz des dreißigsten Stockwerks verschwimmen graue Details. Über sie erhaben wird auch die Betonwüste mild und gnädig.

Bonusmaterial

Oft ist es nicht, dass es mir nicht positiv auffällt, sondern dass ich mir zunächst gar nicht bewusst bin, dass das auf die Liste gehört. Deshalb muss ich diese Liste erweitern. Ich hoffe sehr, dass ich sie immer wieder erweitern kann.

  • Einbauküchen die zur Wohnung gehören: Ich meine, wer kommt auf die Idee „Lass mal diese maßgefertigte Küche für diese Wohnung in eine neue Wohnung umziehen, wo sie nicht reinpasst!“?
  • Peanut Butter filled Pretzels: Erdnussbutter in einem Kissen aus Laugenstangenteig. Health nerf, addiction buff.
  • Drain Weasle: Ein langer, flexibler Plastikstab mit Widerhaken am Ende, mit dem man Haare aus dem verstopften Ausguss gefischt bekommt. Gibt’s für ca. $1 im HEB und ist tausendmal effektiver als Rohrreiniger.
  • River Floating: Sich mit Freunden und Kaltgetränken in einem aufblasbaren Ring einen Fluss heruntertreiben lassen.
  • Dr. Pepper Zero: Sehr süß, in kleinen Dosen, am besten gekühlt und mit präsentem Vanillegeschmack.

Land of the scam

Ich habe lange zweieinhalb Jahre darauf hingearbeitet im Ausland arbeiten zu dürfen. Im September 2023 wurden die Pläne konkret und ich habe mich sehr gefreut, für zwei Jahre nach Austin, Texas gehen zu dürfen. Seit Ende März 2024 bin ich jetzt in Austin, habe meinen ersten Monat hier gelebt, meinen 30. Geburtstag hier gefeiert und meine ersten Erfahrungen gemacht.

Vor allem habe ich mich mit Abendveranstaltungen, einem (absolut notwendigen) Auto und einer Wohnung beschäftigt. Meine ersten Eindrücke von Austin, Texas sind gelinde gesagt nicht die besten. Um die Pointe vorweg zu nehmen: Das hier wird ein Rant auf eine Gesellschaft, die unproduktiv, unehrlich, faul und gierig ist. Wohlwissend, dass ich damit vielen Amerikaner*innen unrecht tue. Deshalb möchte ich gleich vorab die Amerikaner*innen in Schutz nehmen, die mich warm und ehrlich mit offenen Armen empfangen.

Scam #1: Tickets

Eine liebe Freundin mit einem hervorragenden Kulturgeschmack hat mich darauf hingewiesen, dass die Band „Giant Rooks“ nach Austin kommt. Ich beschließe an einem Freitag, dass ich mir Tickets für das Konzert am 4. Mai (Star Wars Tag!) kaufen werde. Im Internet werde ich auch schnell fündig. Da gibt es die Seite TicketsOnSale.com. Ich suche kurz, es gibt die Tickets für $40! Das ist für Konzerte hier ein adäquater Preis. Also lege ich zwei Tickets in den Warenkorb und möchte bezahlen. Es ist alles sehr „convenient“. Ich kann mit Apple Pay direkt vom Handy aus zahlen, muss keine Kreditkarte angeben, sondern nur zweimal auf einen Knopf drücken und mein Gesicht in die Kamera halten.

Mir bleibt kurz der Atem stehen, als ich auf einmal $134 auf der Rechnung sehe. Das sehe ich natürlich erst, nachdem ich bezahlt habe. Ich denke mir, dass da ein Fehler vorliegt, aber nein. Die Seite ist bekannt, stark überhöhte Service-Gebühren zu verlangen. Und ich bin darauf reingefallen. Ich schäme mich.

Ich schaue in meine Mails und versuche den Kauf, wie in Europa mit üblichen 30 Tagen Rückgaberecht, rückgängig zu machen. Das geht nicht, der Kauf ist „final“. Das heißt, ich kann nichts umtauschen. Der Gipfel der Dreistigkeit ist, dass ich ab sofort Werbemails bekomme, ob ich denn nicht noch ein Hotel buchen möchte und ob ich denn zufrieden sei. Ich entschließe mich eine sehr sehr schlechte Bewertung abzugeben und bei der Hotline anzurufen. Natürlich geht nur ein Bot dran, der mit erklärt, dass diese Service-Gebürhen für ihren „premium Service“ fällig werden. Zum Beispiel für die Wartung der Website. Aha.

Ich versuche es positiv zu sehen. Halb so schlimm. Immerhin sind die Tickets echt. Diese Lektion hat mich $50 gekostet. Ärgerlich, aber ok.

Scam #2: Auto

Natürlich kaufe ich kein Auto von einem Privatmenschen. Dafür kenne ich mich zu wenig mit Autos aus. Ich gehe zu einem gut bewerteten Autohaus. Roger Beasley Mazda South. Die nennen sich den größten Mazda-Händler in Nordamerika. Auf der hochglanz-Website findet man Motivationen wie „Fairer Deal“ und „Ehrlichkeit“. Das klingt doch seriös.

Beim ersten Auto, das ich ausprobiere, ist die Motorkontrollleuchte an. Ich reklamiere das, es kommt ein anderer Verkäufer dazu und meint, dass ihm das unangenehm wäre, denn wenn sie sowas feststellen, zeigen sie solche Autos ja eigentlich keinen Kunden. Dann schauen wir uns einen Mercedes E350 aus dem Jahr 2009 an. Ein sehr gepflegtes Auto. Ich bin hin und weg. Wir machen eine Probefahrt, die Bremsen funktionieren gut, der Motor klingt gut, ist nicht gewaschen und leckt nicht. Ich reklamiere allerdings ein seltsames Geräusch, das beim Fahren, insbesondere bei höherer Geschwindigkeit auftritt. Ich frage mehrmals, was mit dem Auto falsch ist und was das für ein Geräusch gibt, wobei mir beide Verkäufer versichern, dass „das ein gutes Auto“ sei und dass „es sehr gut fahren würde“ und der nur $7000 wegen der vielen Meilen kosten würde. Außerdem haben sie ja gerade eine „Safety Inspection“ durchgeführt. Wirklich nur 3 Tage vorher.

Ich kaufe das Auto ein paar Tage später, nur um auf dem Weg vom Händler nach Hause von den seltsamen Geräuschen so verstört zu sein, dass ich einen Termin mit einer unabhängigen Werkstatt mache. Ich habe das Auto keine 100 Meilen bewegt, als ich es in die Werkstatt bringe. Der Checkup sollte nur einen Tag dauern. Noch am selben Tag erfahre ich später Abends, dass das Radlager ausgeschlagen ist, Befestigungsbolzen am Rad fehlen, die Servolenkung leckt und eine Getriebewartung für 70k (ca. 112km) Meilen nach 150k (ca. 240km) Meilen immer noch nicht gemacht worden ist. Der Spaß soll mich $2700 kosten. Ich willige ein, denn mit diesem Sicherheitsrisiko möchte ich nicht zurück auf die Straße. Wenn es das ist, bin ich damit zufrieden. Es ist für mich höchst unbegreiflich, wie dieses Auto die angebliche „Satefy Inspection“ passieren konnte, aber gut.

Zwei Tage später werde ich wegen „einem seltsamen Geräusch“ nochmal einen Tag vertröstet und wiederum einen Tag später kommt die Hiobsbotschaft: Das Differenzial ist bald hinüber und der Tausch kostet $5000. Die Werkstatt meint, dass Roger Beasley das hätte merken müssen, wenn sie sich das Auto überhaupt mal angeschaut hätten. Ich bin kurz vor einem Nervenzusammenbruch: Ich soll insgesamt $8000 in ein Auto stecken, für das ich $7000 gezahlt habe, nur damit ich damit fahren kann? Ich fahre zu Roger Beasley und stelle den Verkäufer zur Rede. Ich habe ja das Auto „As-Is“ gekauft und deshalb muss ich jetzt selbst damit klarkommen. Und die Inspektion? Die haben sie sicher durchgeführt, aber das sei eigentlich nur eine automatische Verlängerung vom System. Was ist mit den falschen Hinweisen beim Verkauf? Die Verkäufer von Roger Beasley würden nie die Unwahrheit behaupten.

Ich tauche mindestens 5 mal bei Roger Beasley auf und stelle den General Sales Manager zur Rede. Das einzige, was ich für mich rausholen kann ist ein Tausch des Mercedes zum Kaufpreis gegen einen Mazda 3 mit 80k Meilen und ich darf noch $5000 draufzahlen. Ich bin nicht zufrieden mit dem Handel, es ist eher eine Vernunftentscheidung. Ich bin traurig, wütend, habe viel Geld verloren und Flashbacks an meine Studententage mit existenziellen Ängsten kommen hoch.

Diese Lektion hat mich mindestens $3000 gekostet. Wahrscheinlich eher $7000, wenn ich den Wert des Mazda 3 betrachte. Ich merke übrigens auch hier erst beim Fahren vom Händler, dass die Reifendruckkontrollleuchte auf einmal anspringt und dass mindestens ein Lautsprecher nicht funktioniert.

Scam #3: Wohnung

Ich brauche eine Wohnung. Bald, schön und im Budget, das mein Arbeitgeber zahlt. Aber für $2600 sollte sich doch was finden lassen. Ich suche sorgfältig die Rainey Street ab. Hier gibt es viele High-Riser, es ist nahe der Innenstadt mit Nachtleben und auch die Firma ist erreichbar. Außerdem ist ein lieber Kollege hier gerade hingezogen.

Also suche ich in der Nähe und werde auch beim „the Quincy“ fündig. Ich bin vor allem von den Annehmlichkeiten überzeugt: Der Co-Working-space ist sehr schick, die Dachterrasse hat einen schönen Blick und am Pool sind viele junge Menschen. Ich entscheide mich für ein Apartment hier, weil es einfach der beste Deal ist.

Allerdinge entscheide ich mich für ein anderes Apartment als das, das ich bisher angeschaut hatte. Ich fange ungesehen mit dem Bewerbungsprozess an, da ich mir sehr sicher bin. Der freundliche junge Mann von der Apartment-Tour gibt mir anfangs Anweisungen, wie ich das mache: Am besten auf der Website. Ach so – man muss noch vor dem Start des Bewerbungsprozesses eine nicht rückerstattbare „Application Fee“ von $450 zahlen.

Unterdessen kündigt mir das Umzugsunternehmen freudig an, dass meine Pakete angekommen sind und wann sie mir die zustellen können. Ich sage, der 27. April wäre hervorragend, aber sie antworten, dass sie an Samstagen leider nicht arbeiten. Also muss ich wohl einen Tag eher, am Freitag, den 26. April einziehen.

Knapp eine Woche nach Bewerbungsstart nutze ich die Besichtigung meiner neuen Wohnung um den jungen Herrn darum zu bitten, meinen Vertrag einen Tag eher, am Freitag, den 26. April beginnen zu lassen. Seine Antwort ist, dass das kein Problem sei, schließlich stehe die Wohnung ja ohnehin leer.

Nach eineinhalb Wochen erkundige ich mich am Montag nochmal, ob der Mietvertrag nun da sei. Schließlich möchte ich am Freitag einziehen. Der junge Mann bedankt sich für den Hinweis und beteuert, sich sofort darum zu kümmern. Was ich bekomme, ist eine Kopie meines Bewerbungsformulars, eine Aufforderung binnen 24 Stunden einen Kautionsnachschuss von über $1000 zu bezahlen und den Zugang zu einem Online-Portal, auf dem ich erstmal meine Miete bezahlen soll. Mindestens 7 Tage vor Einzug – technisch schon jetzt unmöglich.

Zu allem Überfluss geht es mir am Montag Abend rapide sehr schlecht. Einer meiner beiden Tests aus Deutschland bestätigt: Corona. Mist! So ist meine Handlungsfreiheit weiter eingeschränkt.

Es ist Dienstag und mir geht es echt reudig. Ich fühle mich kaum in der Lage, etwas zu tun. Aber Abends bekomme ich den Mietvertrag. Ich sende die ersten Seiten des online zu unterschreibenden Mietvertrages an meine lokale Betreuerin. Sie lässt den Mietvertrag von Fachpersonal prüfen, denn sie weiß; wir sind in den USA und Gott alleine weiß, was in den Geistern der Menschen hier vorgeht, wenn sie Verträge aufsetzen. Ich erinnere mich unwillkürlich an meine Schulzeit: Ich habe mir mit rigorosen „Verträgen“ einen Teil des Pausengelds meiner Mitschüler*innen gesichert. Da war ich 12. Ich bin nicht stolz darauf.

Am Mittwoch bekomme ich Rückmeldung meiner Beteuerin: Der Mietvertrag ist überprüft und für in Ordnung befunden. In dem stehen neben Fristen, die ich schon technisch garnicht mehr einhalten kann auch das Einzugsdatum: Samstag, der 27. April 2024. Ich bin teils verwundert, teils argwöhnisch. Ich unterzeichne alles und schreibe dem Team. Keiner meldet sich.

Donnerstag. Ich gehe raus, obwohl ich Corona habe. Nachmittags bin ich bei meiner neuen Wohnung. Eine Kollegin von dem jungen Mann erzählt, dass der wohl Urlaub hat und deshalb nicht antwortet. Aber sie wird mir weiterhelfen. Ich erzähle ihr von meiner mündlichen Vereinbarung mit dem jungen Mann, sie meint, dass sie um das Umzugsdatum zu ändern den Mietvertrag neu aufsetzen müsse und das gegebenenfalls die Miete ändern würde. Ich sage ihr, dass es mir ziemlich egal ist, wie wir das lösen. Ich will nur, dass mein Zeug morgen geliefert werden kann. Sie setzt einen neuen Mietvertrag auf, lächelt und meint, dass sich der Preis nicht geändert habe. Ich gehe mit dem guten Gefühl, das Problem gelöst zu haben. Zuhause möchte ich den Vertrag unterschreiben und entdecke, dass da auf einmal $2700 Miete drinnen steht, statt der ursprünglichen $2450. Für 13 Monate! Also soll ich ca. $6000 zahlen, damit ich einen Tag früher einziehen kann? Morgen? Viel Zeit zum verhandeln bleibt ja nicht. Selbst der schwäbischste Großgrundbesitzer in Berlin ist flexibler mit Einzugsterminen und nicht so dreist mit den Mietforderungen! Ich bin am Boden zerstört.

Am Tag meines Einzugs fahre ich nochmal zu dem Apartment und treffe dieselbe Frau. Ich erzähle ihr, dass ich auf garkeinen Fall $6000 bezahlen werde um einen Tag früher einzuziehen und hole den gültigen Vertrag raus. Sie entschuldigt sich, und passt das nochmal an. „Jetzt stimmt’s aber!“ Nein – es stehen jetzt $2575 auf dem Vertrag. Den schickt sie mir noch einmal, bis sie den Fehler in ihrer Berechnung findet. Endlich steht der richtige Preis drinnen. Oberflächlich bin ich freundlich. Darunter brodelt es und ich bin höchst skeptisch.

Immerhin habe ich eine Wohnung. Der Preis ist hoch. Auch emotional. Aber diesmal war ich aufmerksam. Es ist ein Pyrrhussieg. Denn ich habe massiv Vertrauen verloren.

Zu guter Letzt

Ich lerne zu schätzen, was ich an Deutschland und Europa habe. Menschen, die nicht darauf angewiesen sind, alles verkaufen zu müssen, was nicht niet- und nagelfest ist, um sich ernähren zu können. Menschen, die eine Tätigkeit gelernt haben, darin ausgebildete Fachkräfte sind und nicht nur die besten Blender, die man für günstig Geld von der Straße auflesen konnte.

Meine ersten Eindrücke sind ernüchternd. Das „Land of the free“ ist das Land der unbegrenzen Unmöglichkeiten.

Ich hatte viel Pech mit den Leuten und Dingen, die mir widerfahren sind. Ich werde positiv in die Zukunft sehen und meine Augen für das schöne offen halten. Aber ich möchte diesen Artikel auch als Warnung sehen, nicht zu naiv in die USA zu gehen. Was oberflächlich nach Freundlichkeit aussieht, ist oft nur eine Verkaufsabsicht.

Oh, wie schön ist Klaipėda

Was ich mir während des Studiums nicht leisten konnte und was vergangenes Jahr aufgrund der pandemischen Lage nicht möglich war, habe ich dieses Jahr nachgeholt. Fast drei Wochen lang habe ich mir die Zeit genommen um Polen, Litauen, Lettland, Schweden und Dänemark zu erkunden.

Der beste Kompromiss aus Abenteuer und CO2-Impact, aus Flexibilität und Verlässlichkeit war dabei mein Motorrad. Meine Suzuki Bandit hat mir auf der 3920 km langen Strecke treue Dienste erwiesen und mich sicher und heil durch alle Widrigkeiten getragen.

Mitgebracht habe ich neue Erfahrungen, wunderbare Eindrücke, schöne Bilder und viele Geschichten, von denen ich ein paar zum Besten geben mag.

Warschau – Ob Sozialismus oder Kapitalismus, Hauptsache Beton

Begonnen hat meine Reise Anfang August in Dresden. Temperaturen über 30°C und die allgegenwärtige Sonne waren stete Begleiter auf dieser Strecke. Bis zu einer Mittagsrast in Łódź habe ich diese erste Etappe vorwiegend auf der Autobahn verbracht. Ab hier habe ich mich durch den Feierabendverkehr nach Warschau auf den Landstraßen (pol. Droga krajowa) 14 und 92 bewegt.

Aufgefallen ist mir, dass in Polen das Auto das Fortbewegungsmittel der Wahl ist. Das Verkehrsaufkommen ist dementsprechend hoch. Die Landstraßen sind zwar zweispurig, jedoch ausreichend breit gebaut mit einem fast durchgängigen Standstreifen. Einige Polen, die mich als Motorradfahrer im Rückspiegel gesehen haben, haben diesen Standstreifen genutzt und haben mir damit großzügig Platz in der Fahrbahnmitte gemacht. So konnte ich auch bei Gegenverkehr problemlos überholen. So ein zuvorkommendes Verhalten misse ich doch bisweilen auf deutschen Straßen und möchte die Gelegenheit deshalb nutzen, um allen rücksichtsvollen Polen auf meinem Weg und überall auf der Welt herzlich zu danken.

Warschau: Symbolbild

Als ich abends in Warschau einfuhr, hat sich die Stadt vor mir eher wie eine amerikanische Großstadt aus einem Hollywood-Film präsentiert: Hohe Obelisken aus Glasbeton, die über einem dichten Netz aus breiten Straßen thronen auf denen das blecherne Blut im Form hunderter PKW dickflüssig fließt.

Auch wenn die Warschauer den Kulturpalast als Symbol Sowjetischer Opression mit gemischten Gefühlen wahrnehmen, ist das Bauwerk als solches beeindruckend. Vom 35. Stockwerk hat man einen fantastischen Blick auf die Stadt.

Verfallende Miniaturen vor einem Hochhaus am Kulturpalast

Aber auch zu dessen Füßen kann man einiges entdecken. Zum Beispiel eine verfallende Ausstellung von Miniaturen. Viele der ausgestellten Gebäude sind dem zweiten Weltkrieg zum Opfer gefallen und existieren nun nicht mehr. Deshalb beschränkt sich der wiederaufgebaute historische Stadtkern Warschaus auf einen überschaubaren Bereich. Dazu gehört unter anderem der Altstadtmarkt.

Warschau ist sehr durch die vielen PKW geprägt und deshalb sind große Flächen versiegelt. Davon bietet der Łazienki-Park eine willkommene Abwechslung. Zentral im Park befindet sich der gleichnamige Palast, der inmitten der Wasserflächen ein treffliches Fotomotiv abgibt.

Grapefruit-Weizenbier im KOMU-KOMU

Das kulinarisch Polen hat sich mir in Form von Piroggen vorgestellt. Diese können mit deutschen „Maultaschen“ verglichen werden. Darüber hinaus hat mich ein kleines Restaurant in Kamionek namens KOMU KOMU vor allem mit seinem hervorragenden Grapefruit-Weizenbier und angenehmer Gesellschaft überzeugen können.

Vilnius und der Mittelpunkt Europas

Die zweite Strecke war vorwiegend durch Regen geprägt. Leider hing ein Regenband zwischen Warschau und Vilnius fest, weshalb ich mich dazu entschlossen habe, auch diese Etappe auf der Autobahn zu beginnen. Ein wenig verwunderlich fand ich die Bushaltestellen, die an eher zufällig wirkenden Teilen der Autobahn stehen. Ich kann mir nach wie vor keinen Reim darauf machen, wer hier ein- oder aussteigen soll.

Irgendwann als der Regen schwächer wurde, habe ich auf die Landstraße gewechselt. Das war eine sehr gute Entscheidung, denn ab Augustów bis weit hinter die litauische Grenze habe ich eine wunderschöne Landschaft erleben dürfen. Inmitten von Wäldern hoher Nadelbäume sind immer wieder Seen und offene Lichtungen zu sehen und hinter der litauischen Grenze formen zusätzlich sanfte Hügel die Landschaft.

Einen ganz besonderen Moment werde ich nicht vergessen: Als ich die Abendsonne im Rücken über eine schnurgerade Straße durch einen dunklen Wald fuhr, habe ich stets im Fluchtpunkt die roten Wolken am Himmel sehen können. Je weiter ich darauf zugefahren bin, desto größer wurde das Licht und als ich den Waldrand passierte, war es, als ob die Farben explodieren wollten: Der tiefrote Abendhimmel tauchte eine riesige Ebene in ein durchdringendes Licht: Ein Moment wie aus einem Märchen.

Dieser Moment steht stellvertretend für all die schönen Dinge, die ich während der Fahrt gesehen habe: Auf die ganz besonders schönen Momente habe ich mich lieber eingelassen, statt aus ihnen herauszutreten und Fotos zu machen. Hier kann ich nun lediglich die romantische Erinnerung wiedergeben.

Nachts kam ich in Vilnius an und habe mich gewundert, wo eine Stunde meiner Zeit geblieben war. Erst nach einer Weile ist mir aufgefallen, dass ich bei meiner Reise nach Osten mit der Polnisch-Litauischen Grenze eine Zeitzone überschritten hatte.

Auf den ersten Blick ist Vilnius eine sehr europäische Stadt. Ein Litauer hat mir bei einem abendlichen Drink in einer Bar – Alkoholverzehr im öffentlichen Raum außerhalb von Gaststätten ist unüblich – in der Altstadt einen Teil der jüngeren Geschichte erzählt: So gibt es neben der wunderschöne Altstadt mit ihren vielen Kirchen und engen Gassen und einem florierenden Bankenviertel auch die von sowjetischer Architektur geprägten Vororte von Vilnius, in denen unter anderem die HBO Fernsehserie „Tschernobyl“ gedreht wurde.

Gulinti galva in Europos Parkas

Denn nicht nur der Kern von Vilnius ist sehenswert. Einer der beeindruckendsten Orte, die ich je gesehen habe, ist Europos Parkas, ein Waldpark am geografischen Mittelpunkt Europas, der Skulpturen von Künstlern aus aller Welt beherbergt. Europos Parkas ist ein wahrlich magischer Ort! Zu Beginn erhält man eine handgezeichnete Karte, wie eine Schatzkarte zu einer fantastischen Welt. Wenn man ungestört den Wald erkundet, findet man überall magische Orte. Strukturen, die eine Geschichte erzählen wollen. Ich persönlich habe den Park lediglich in einer Stimmung, im Sommer bei Tag, gesehen. Dieser Ort ist es wert, mit den tröpfelnden Regen, im mysteriösen Nebel und in lauen Nächten zusammen mit der Fauna, im Sommer wenn die Bäume Schatten spenden, im Herbst, wenn die Blätter leuchten, im Winter, wenn die Skulpturen unter einer weißen Decke schlummern und im erwachenden Frühling entdeckt zu werden. Sollte ich wieder nach Vilnius kommen, werde ich diesen Park immer wieder besuchen!

Klaipėda – Meer, mehr Meer und noch mehr Meer

Mein persönliches Sehnsuchtsziel dieser Reise und Grund diese überhaupt so auszulegen war die Stadt Klaipėda. Es ist eine Industriestadt an der Ostsee, dort wo das kurische Haff in die Ostsee mündet.

Mein Weg dorthin hat mich durch die etwas dünner besiedelten Teile Litauens geführt. Vorbei an einem mystischen Ort namens Šiauliai, respektive an den Berg mit den hunderttausend Kreuzen. Eine Geschichte um diesen Ort berichtet von der Unterdrückung der Religionsausübung durch die Sowjets, denen die Litauer einen nie abreißenden Strom von Kreuzen trotzig entgegengesetzt haben. Heute finden sich dort Kreuze aus aller Welt. Zum Beispiel von Militärabteilungen der US Air Force oder von Hilfsorganisationen. Dieser Ort wird mir als Symbol für friedlichen Protest und unverbrüchlicher Hoffnung gegen Unterdrückung in Erinnerung bleiben.

Abendleben im Hafen von Klaipėda

Schließlich habe ich Abends Klaipėda erreicht, das in den Erzählungen meiner Familie noch ab und an „Memel“ genannt wird. Durch meine persönliche Verbindung zu dieser Stadt kann ich ihrem Industrieflair durchaus einiges abgewinnen. Allerdings muss ich zugeben, dass ich bereits vorher ein Faible für Industriecharme hatte und davon hat Klaipėda reichlich. Insbesondere die Abendsonne senkt einen ehrlichen Frieden über den Hafen. Die Gebäude und Schiffe erzählen von der Sowjet-Ära, harter Arbeit und einem Weg in eine moderne Gesellschaft nach westlichem Vorbild.

Nur wenige Meter und eine Fahrt mit der Fähre trennt Klaipėda von der Kurischen Nehrung. Die Landzunge grenzt im Süden auch an die russische Enklave Kaliningrad und kurz vor der Grenze hatte schon der Autor Thomas Mann in Nidden diese friedliche Natur zu schätzen gewusst. Sie ist ein atemberaubender Kontrast zur Stadt. Die Dünenlandschaft hat eine eigene Vegetation, die eine ganz eigene, wunderbare Ruhe hervorbringt.

Palanga, von der Seebrücke

Insbesondere entlang der Ostseeküste ist Litauen ein so wundervoller Flecken Erde. Nicht nur die kurische Nehrung, die eigentlich einen eigenen Artikel verdient, ist wunderschön. Dem friedlichen Strand steht der Touristenort Palanga gegenüber, der in meiner Familie gerne als „Polangen“ referenziert wird. Hier treffen sich vor allem junge Menschen um ihre Jugend an Sommerabenden zu feiern. Die Westlage der Küste lädt dazu herrlich ein, denn es gibt wohl kaum einen schöneren Anblick als die Sonne im Meer versinken zu sehen.

Hafen in Ventspils

Bis ich diesen Anblick in Ventspils (deutsch: Windeck) in Lettland erleben konnte, habe ich jedoch erst 200 km nach Norden zurücklegen müssen. Wenn ich nicht über staubige Feldwege an uralten Windmühlen vorbeigefahren bin, konnte ich dabei viele Kilometer direkt an der Küste zurücklegen. Es ist einfach wunderbar, das scheinbar unendliche Wasser links, die freie Straße geradeaus und die goldenen Felder rechts während dieser Fahrt bewundern zu können. Ein wahrlich würdiges Finale für den Reiseabschnitt im Baltikum. Bereits vor dem Übersetzen der Fähre von Ventspils nach Stockholm habe ich für mich beschlossen, dass ich das Baltikum noch öfter besuchen werde.

Stockholm & Schweden: Vom Wasser, am Wasser, zu Wasser, zum Wasser

Nynäshamn begrüßte mich mit herrlichem Wetter und einem Bilderbuchidyll aus blauem Meer, rot-weißen Holzhäusern und blanken Felsen, die zwischen der Vegetation immer wieder ans Licht kommen. Not so Fun Fact: Zwei Wochen später steht die Fähre, mit der ich gekommen bin, in Flammen. Kurzerhand habe ich beschlossen, nicht auf direktem Weg nach Stockholm zu fahren, sondern kleine Wege zu suchen und den Weg mein Ziel sein zu lassen.

In Stockholm selbst musste ich einen Parkplatz für mein Motorrad zu finden. Auf der Gamla Stan, der bekannten Altstadtinsel Stockholms, stellte mich das tatsächlich vor eine echte Herausforderung: Es gibt zwar Parkplätze, die sind allerdings für Autos und für 2 Nächte nahezu unbezahlbar. Allgemein verbleibt bei mir der Eindruck, dass Stockholm im Kontrast zum restlichen Schweden nochmal deutlich teurer ist. Dafür ist die Stadt sehr gepflegt, die Häuser nobel, der Umgang gehoben und das kulturelle Angebot reichhaltig.

Nach einer Nacht in einem Mehrbettzimmer im Hostel habe ich beschlossen, die Stadt per pedes zu erkunden. Der bekannte Stortorget ist dabei mein Startpunkt. Insbesondere durch die unpassierbaren Wasserflächen zwischen den Inseln Stockholms werden die Wege sehr lang. Aus der Not habe ich mit einer Schärentour eine Tugend gemacht werden: So werden Wasserwege passierbar und ich konnte Stockholm auf eine wunderbare Weise entdecken.

In der kurzen Zeit, die ich in Stockholm verweilte, blieb mir nicht genügend Zeit um diese große Stadt auch nur annähernd zu durchdringen. Allerdings ist Schweden auch nicht nur Stockholm und so war ich bereits gespannt meine Etappe durch Schweden, auf den Weg nach Jönköping am Vättern, dem zweitgrößten See Schwedens und dem zehntgrößten Europas.

Da ich Hauptverkehrswege meide, habe ich mich oft auf Schotterwegen wiedergefunden. Was zunächst ungewohnt und für mich als Motorradfahrer gefährlich wirkte, hat sich schnell in eine Freude umgekehrt, ein bisschen schneller in die Kurve zu gehen und beim Herausbeschleunigen ein bisschen zu driften und Staub aufzuwirbeln. Mit viel Freude am Fahren habe ich so auch dem Vänern, den viertgrößten See Europas einen Besuch abstatten können.

Erst am Abend habe ich Jönköping erreicht. Nach einem Tag auf zwei Rädern fühlte ich mich ebenfalls gerädert. Der anschließende Saunagang war so wohltuend, dass ich mich noch zu einem kurzen Spaziergang habe hinreißen lassen.

Jönköping bei Nacht

Kopenhagen – Zweirad, aber unmotorisiert!

Weiter ging meine Reise erst einmal wieder in Schweden. Ein schönes Bild ist mir im Kopf geblieben, als ich auf der Öresundbrücke nach Kopenhagen fahren konnte: Von der Brücke aus kann man im Norden den charakteristischen Offshore-Windpark Kopenhagens entdecken und vom Meer umgeben fuhr ich kilometerlang der dänischen Hauptstadt entgegen.

Aus Stockholm Leid erprobt habe ich mich in Kopenhagen gleich dazu entschieden, weit Außerhalb zu parken, mein Gepäck mitzunehmen und schließlich mit dem Zug in die Innenstadt zu fahren.

Kopenhagen ist eine wunderbare Stadt! Ich habe mich sehr wohl gefühlt als ich die Stadt mit dem Fahrrad erkundet habe. Dazu beigetragen hat auch die Begegnung mit einem überaus freundlichen Australier namens Soroush.

Ein großartiger Start in den Tag war der Sprung in den Hafen, in einen der vielen frei zugänglichen Badebereiche. Diese herrlich unkomplizierte Art den Tag zu beginnen haben neben uns auch zahlreiche Einheimische genutzt.

Danach konnte ich entspannt die Stadt erkunden, die Sehenswürdigkeiten, wie den historischen Hafen, den Runden Turm oder das Schloss Rosenborg anschauen, Kaffee trinken, die Sonne und das Meer am östlichen Stadtstrand genießen, und das großartige Projekt „Christiana“ besuchen.

Mein persönliches Highlight war auf jeden Fall Tivoli, der seine Tore seit 1843 für Besucher*innen geöffnet hält. Die Lage mitten in der Stadt, die Vielzahl an Attraktionen, die Liebe zum Detail, aber allem Voran gute Gesellschaft machen diesen Freizeitpark wirklich zu etwas Besonderem.

Kopenhagen, als vorletzte Station auf meiner Reise ist ohne Zweifel auch deren Höhepunkt gewesen. Ein bisschen wehmütig, aber vor allem reich an Erfahrungen, wunderbaren Bildern, bleibenden Eindrücken und neuen Ideen habe ich Kopenhagen über die Fähre gen Heimat verlassen.

Greifswald – Zurück zu den Wurzeln

Doch bevor ich wieder zurück nach Dresden gefahren bin, habe ich eine letzte Rast in Greifswald eingelegt. Hier konnte ich Verwandte besuchen, die ich seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen hatte. Hier kommt ein anderer Teil meiner Familie her. Hier kann ich einen Kreis um meine Geschichte schließen.

Nach fast 4000 km schaue ich zuversichtlich in die Zukunft: Ich werde mich noch einmal aufmachen um Teile meiner Geschichte entdecken, um Neues für mich zu entdecken und meinen Teil der Geschichte zu schreiben.

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