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Rede mit mir!

Manchmal ist der Einstieg in ein Thema einfach. Manchmal nicht. Also warum nicht mal so umständlich wie irgend möglich ins Thema einsteigen? Hier also mein geistiger Seitfallzieher vom Fünfmeterturm:

Millionen Jahre lang lebte die Menschheit wie die Tiere. Dann geschah etwas, das die Kraft unserer Phantasie freisetzte. Wir lernten zu sprechen und wir lernten zuzuhören. Die Sprache hat die Kommunikation von Ideen ermöglicht und die Menschen in die Lage versetzt, zusammenzuarbeiten und das Unmögliche zu schaffen. Die größten Erfolge der Menschheit sind durch Reden entstanden, die größten Misserfolge durch Nichtreden. Das muss nicht so sein. Unsere größten Hoffnungen könnten in der Zukunft Wirklichkeit werden. Mit der Technologie, die uns zur Verfügung steht, sind die Möglichkeiten unbegrenzt. Wir müssen lediglich dafür sorgen, dass wir weiter miteinander reden.

– Steven Hawking

Das Zitat habe ich aus dem Song „Keep Talking“, ein Song der Progressive Rock Band „Pink Floyd“. Steven Hawking sagt unter anderem, dass wir es uns nicht erlauben können, nicht zu reden. Und trotzdem beobachte ich genau das.

Also, über was reden wir hier? – Fallbeispiele

Zum Beispiel bei einem Tischgespräch mit Kollegen nach der Debatte zwischen Kamala Harris und Donald Trump Anfang September 2024. Auf offene Fragen kamen mehrfach eher ausweichende und kurze Antworten. Ich hatte ein Bekenntnis zur eigenen Meinung erwartet, aber sehr harmoniebedachte Positionen zur Meinungsfreiheit und Demokratie bekommen.

In einem anderen Gespräch hat mir ein Kollege von Ideen für eine Reform des Amerikanischen Wahlsystems erzählt. Auf meine Frage, warum er darüber nicht offen reden würde, meint er, dass Reden mit Gleichgesinnten nichts verändere und mit Andersdenkenden noch weniger. Also reden wir beim Essen weiter über Hunde, die Sportergebnisse oder das Wetter.

Auf der anderen Seite habe ich im Sommer eine Konversation einer Gruppe junger Menschen in Barton Springs, einem öffentlichen Schwimmbad in Austin, mitbekommen. Bis auf zustimmendes „Yeah man!“ und „Dude!“ aus der Gruppe, war es mehr ein Monolog eines ausgewachsenen Jugendlichen Anfang Mitte zwanzig über sein Dating-Leben. Nach 10 Minuten hatte ich immer noch nicht begriffen, was er mitteilen wollte.

Eine andere Art von Monolog habe ich auf dem „Texas Renaissance Fest“ beobachtet: Beiläufig beobachte ich eine Frau, die auf einen Typen einredet, der sich gerade an einer Hähnchenkeule erfreut. Sie meint, dass er rücksichtslos sei und ob er sich Gedanken über das Tier und das Klima mache. Und während ich selbst Vegetarismus unterstütze, habe ich mich gefragt, welches Ziel diese Frau mit dem unverhohlenem Angriff erreichen möchte.

Im Kontrast dazu genieße ich die Diskussion über politische Themen mit einem bestimmten Kollegen sehr. Kürzlich hatten wir eine angeregte Debatte über Demographie. Während ich die Meinung vertreten habe, dass ein natürlicher Bevölkerungsrückgang nachhaltig ist, hat er die Position vertreten, dass dadurch im gegenwärtigen Wirtschaftssystem wenige junge Menschen viele alte Menschen versorgen müssen.

Na, weil ich das so sage. – Emotional aufgeladene Debatten

In Diskussionen wie diesen sind wir grundsätzlich unterschiedlicher Meinung. Einer von nimmt aus Prinzip die Gegenposition ein. Und obwohl es nicht schick ist, lasse ich mich emotional mitreißen. Schnell habe ich den Stempel, nicht „sachlich“ zu sein und der Dialog kippt zum Streit.

Natürlich ist es toll, wenn man die Distanz beibehalten kann. Kann man nicht einfach Argumente und Gegenargumente vortragen, Punkte für die Argumente vergeben und am Ende einen zum Sieger küren, wie bei einem Boxkampf? Und dann geben sich beide die Hände, betonen wie sehr sie einander und die Konversation schätzen und das Thema wird geschlossen?

Ich glaube nicht, dass das für mich funktioniert. Ich bin emotional in den Debatten, deren Inhalt mich wirklich interessiert. Und wenn mich der Inhalt nicht interessiert, dann lasse ich die Debatte bleiben. Doof wird es, wenn ich nicht mehr in der Lage bin, meinen Gegenüber zu verstehen. Auch wenn ich die Argumente nicht gutheißen muss, möchte ich sie nachvollziehen können. Schließlich möchte ich von jedem Gespräch etwas lernen. Verstehen, wie andere Menschen denken und warum sie so denken.

Ehrlicherweise ist mir das meistens nicht genug. Ich möchte meinen Gegenüber von meiner Position überzeugen. Eine neue Verbündete für meine Idee gewinnen. Denn schließlich habe ich ja Recht, oder? Meine Erfahrung ist eher, dass ich nicht richtig liege. Dass die Realität komplex ist und es selten einfache Antworten gibt. Und selbst wenn ich denke mehr zu sehen, ist es echt schwierig meinen Gegenüber dazu zu bringen, meine Perspektive einzunehmen. Vor allem unmittelbar in der Situation.

Was ist also der Sinn der Debatte, wenn ich nicht erwarten kann, dass jemand seinen Standpunkt ändert? Ich kann immer etwas lernen und meinen Horizont erweitern. Und statt eine neue gemeinsame Wahrheit zu finden, bin ich sehr zufrieden wenn wir beide die Möglichkeit haben, unsere Wahrheit zu hinterfragen.

Das wird man doch sagen dürfen! – Gesprächstaktik

Auch diese Ziele verfehle ich oft genug, weil einer von uns oder beide ganz schön stur sind. Was fällt den anderen auch ein, so überzeugt von ihren Weltbildern zu sein? Im 2024 erschienenen Film „Conclave“ sagt Kardinal Lawrence in einer Predigt zu den Kardinälen, die einen neuen Papst wählen sollen, aber in mehrere Lager gespalten sind: „Gewissheit ist der Feind von Einigkeit.“

Certainty is the enemy of unity.

Kardinal Lawrence, Conclave

Wie also die Gewissheit des Gegenüber aufweichen? Ich habe ein paar Strategien.

Mit wem rede ich?

Je besser ich meinen Gegenüber kenne, desto besser kann ich meine Argumentation anpassen. Das ist kein neues Konzept, sondern wird seit Jahrzehnten in der Werbeindustrie gelebt. Das Zauberwort ist „Zielgruppenorientierung“. Mit viel Empathie kann ich die Motivation meiner Zielgruppe erraten und meine Argumentation entsprechend Anpassen.

Dabei muss meine Zielgruppe auch nicht zwangsläufig meine Gesprächspartnerin oder mein Gesprächspartner sein. Der Ex-Freund einer engen Freundin hat eine starke politische Meinung, von der er allerdings durch kein Gespräch der Welt abzubringen war. Obwohl ich ihn nur schwer von meinen Ideen überzeugen kann, habe ich die Debatte immer wieder gesucht. Wenn wir diskutiert haben und sie zugehört hat, konnte sie Argumente von beiden Seiten hören und die Ansichten übernehmen, die am besten mit ihrem Weltbild vereinbar waren.

Das wäre zu viel gesagt.

Ein Stilmittel vieler Populisten ist die absichtliche Übertreibung. So behauptete die rechtspopulistische CSU 2017, dass durch den Familiennachzug viel zu viele Flüchtlinge nach Deutschland kommen würden. Und während ich mich im Gespräch mit einem CSU-Wähler auf die Position zurückziehen werde, dass die CSU in diesem Falle rechtspopulistische Propaganda unterstützt hat, verfängt bei einem Teil meiner Zielgruppe die Aussage, dass man der bayrischen Splitterpartei der Christdemokraten nicht trauen kann.

Diese Strategie hat einen Preis: Darunter leidet meine Glaubwürdigkeit als Experte. Aber der geneigte Leser wird ahnen, dass ich gar kein Experte bin und dass das alles nur billiger Populismus ist. Ich möchte an dieser Stelle vom (übermäßigen) Gebrauch dieses Stilmittels abraten. Es untergräbt systematisch das Vertrauen ineinander und eine gesunde Debattenkultur.

Im Kontrast zu einer politisch korrekten und relativistischen Debatte über den Einfluss von Überreichen auf demokratische Prozesse finde ich ein plakatives „Eat the rich!“ dennoch greifbarer und manchmal zielführend. Man kann auch mal eine extreme Position in den Raum werfen um diesen für eine Debatte zu öffnen, ohne die Position verteidigen zu müssen. (Mehr dazu in meinem Artikel „Mehr sozialen Populismus wagen“ von 2021.)

Einfach mal „Danke!“ sagen.

Versöhnlicher ist es natürlich, den Gegenüber ein Punkt machen zu lassen, und sich vielleicht sogar für einen neuen Aspekt zu bedanken. Ich bin deutlich eher bereit, über die Position meines Gegenübers nachzudenken, wenn sie oder er mich mit Respekt behandelt. Außerdem verleiht ein „Danke“ direkt ein staatsmännisches Auftreten.

Im Gegensatz dazu ist es ein Pyrrhussieg, wenn ich die Debatte dominiere, sich danach aber niemand mit mir unterhalten mag. Wenn man es so formulieren mag, ist es besser die Schlacht zu verlieren, als den Krieg. Weniger martialisch ist zu betonen, dass es langfristig viel schöner ist, Gemeinsamkeiten zu finden über die man sich immer wieder verbinden kann. Die können auch ein Ausgangspunkt für weitere Gespräche sein. Und am Ende sitzen wir doch alle im selben Boot.

Memo an mich: Ich möchte in Zukunft öfter andere das letzte Wort haben zu lassen. Deshalb interessiert mich brennend, was Du als Leserin oder Leser von diesem Artikel hältst, welche Erfahrungen Du in Dialogen schon gemacht hast und welche deine Gesprächsstrategien sind. Ich freue mich über deinen Kommentar.

Was ich noch sagen wollte:

„Einigung Europas“ von mir

Eine Freundin hat mir die Rede „Einigung Europas“ von Stefan Zweig geschickt und mich gebeten, ob ich nicht einen Text dazu beitragen könnte. Diese Geste hat mich so gefreut, dass ich umgehend angefangen habe zu schreiben. Nicht nur, dass ich mich liebend gerne über Europa, dem Konzept der Europäischen Union und der europäischen Idee äußere, sondern auch, weil es mir viel bedeutet, gesehen und nach meiner Meinung gefragt zu werden.

Ich bin für zwei Jahre in Texas. Ein halbes ist fast rum und ich lerne echt viele Dinge. Offensichtliche Dinge wie, dass „conundrum“ „Rätsel“ heißt. Nicht ganz so offensichtliche Dinge, wie dass Verbraucherschutz und TÜV sehr europäische Ideen sind. Und auch Dinge, die sich mir erst langsam erschließen, wie dass eine Sozialisierung in der US-amerikanischen Gesellschaft eine völlig andere Kultur hervorbringt und dass ich mit meiner deutschen Sozialisierung mit jedem Schweden, Italiener, Portugiesen und Rumänen wahrscheinlich viel mehr gemein habe als mit einem US-Amerikaner.

Auch wenn es nicht immer so wirkt, haben wir bereits eine europäische Kultur. Wir haben Jahrhunderte gemeinsam verflochtener Geschichte, steinalte Kirchen, Fußgängerzonen, Sozialleistungen, den fantastischen Fernsehsender arte, öffentlichen Nah- und Fernverkehr, den eben schon erwähnten Verbraucherschutz, das Erasmus-Programm, Handball-Europameisterschaften und das Interrail-Ticket. Die Europäische Union ist der größte Markt der Welt und, auch wenn ich den Prozess als schleppend empfinde, sind wir dabei, Ökonomie, Ökologie und Sozialstaat miteinander zu vereinbaren. Europa hatte schon immer eine gemeinsame Geschichte und viel Wichtiger ist, dass wir vor allem eine gemeinsame Zukunft haben. Dem fanatischsten Faschisten ist bewusst, dass keine Alternative zu Europa vermittelbar ist.

Aber entgegen häufiger Darstellung sind Faschisten nicht dumm. Sie haben wie die Werbeindustrie gelernt unsere menschlichsten Empfindungen zu instrumentalisieren: Unser Selbsterhaltungstrieb, unsere Hormone und unsere Emotionen und Gefühle machen uns beeinflussbar. Deshalb wird es immer bequemer sein, eine gefühlte Realität mit biederem Familienmodell und überholten Wirtschaftsmodellen und eine romantische Verklärung der Vergangenheit mit biodeutschen Wurzeln und einem sorgfältig kuratierten nationalen Narrativ zu akzeptieren, als etwas zu verbessern. Auch, weil es einfacher ist, das Wetter, die Kollegen oder die Arbeit der Bunderegierung zusammen doof zu finden, statt sich gemeinsam für beispielsweise fahrradfreundliche Innenstädte, ehrenamtliche Vereinsarbeit oder Bürgerräte zu begeistern und einzusetzen.

Leider haben Faschisten mit Angst gegenüber vor Perspektivlosigkeit und Verfolgung Fliehenden und Stolz auf eine bestenfalls eigenwillige Geschichtserzählung besorgniserregend große Teile der Gesellschaft in emotionale Geiselhaft genommen. Obwohl soziale Parteien überlegene Ideen haben, sind Ergebnisse wie in Sachsen und Thüringen im September 2024 oft ernüchternd. Ich brauche keine rhetorischen Fragen zu stellen, um zu sehen, dass die Inhalte offensichtlich nicht so überzeugen. Dabei liegt es meiner Meinung nach nicht an den Inhalten selbst, sondern an einem seit der Aufklärung falschen Bild vom „rationalen Menschen“, der vernünftig und logisch entscheidet.

Ich lerne mich jeden Tag ein bisschen besser kennen und erkenne auch als studierter Ingenieur bei mir und meinem Mitmenschen: Da ist das allerwenigste rational. Oder auf vollständigen Informationen basiert. Oder vernünftig. Der Kollege, der seine Meinung mit Verweis auf seine Tabelle für „objektiv“ hält, reagiert sehr wahrscheinlich emotional. Sind wir beim Design unserer Demokratie davon ausgegangen, dass Menschen rational und vernünftig handeln? Dann sollten wir vielleicht unser Menschenbild aktualisieren.

Stefan Zweig hat das gesehen. All die großartigen Errungenschaften Europas sind schwer zu vermitteln, wenn wir sie nicht wertschätzen können. Was habe ich von CERN und die ESA bezahlt auch nicht meine Miete! Medien haben eine mächtige Rolle im Spiel um Deutungshoheit und unsere Emotionen. Emotionen sind Reichweite, Reichweite ist Deutungshoheit, Deutungshoheit ist Wahrheit.

Was wir tun können, ist unsere eigene Geschichte erzählen. Eine Geschichte, in der eine deutsche Ampel-Regierung mit Bürgergeld, Cannabis-Entkriminalisierung und Deutschlandticket mehr Dinge verbessert hat als 16 Jahre konservativer Stillstand. Eine Geschichte von einem Kontinent, der bei der Bekämpfung einer Pandemie erfolgreich zusammengearbeitet hat. Eine Geschichte von einer Wirtschaftsgemeinschaft, die durch ein gesellschaftszentriertes Weltbild eingesehen hat, dass nur ökologisches Wirtschaften nachhaltig die Versorgung aller sichert. Eine Geschichte, in der die europäischen Staaten, ohne zu eskalieren einen russischen Diktator nicht in seinem Angriffskrieg auf die Ukraine gewähren lassen.

Und ich möchte von einer Zukunft erzählen. Einer Zukunft, in der vereinte europäische Streitkräfte Werte wie Gleichheit und individuelle Freiheit hochhalten, abgestimmt handeln um Konflikte und Leid zu vermeiden und dabei den Austausch vieler Kulturen fördern. Ich möchte von einer Zukunft erzählen, in der Reisen mit der Bahn in ganz Europa unkompliziert, schnell, pünktlich, sicher und für jeden erschwinglich völlig normal ist. Ich möchte von einer Zukunft erzählen, in der wir Kindern und jungen Erwachsenen helfen, mit ihren Hormonen, ihren Emotionen und ihren Gefühlen umzugehen, sich darüber auszutauschen, statt sie hinter einer normativen und konformen Fassade wegzusperren. In der Hoffnung, dass Europa als Musterbeispiel dient und wir jeden, der mit uns lernen möchte, mit offenen Armen empfangen können.



Streben nach Unsterblichkeit

Mit ausgewählten Freund*innen habe ich diese Theorie diskutiert. Jetzt habe ich einen wunderbaren Anfang gefunden: Am Dienstag habe ich Cyberpunk 2077 das erste mal durchgespielt. Deshalb an dieser Stelle: Vorsicht! Spoiler-Alarm!

Während Generationen vor uns den Buchdruck, Radioübertragung, die Massenproduktion von Tonträgern und die Blütezeit der Filmindustrie erlebt haben, ist nun das Videospiel zweifelsohne die beeindruckendste kulturelle Entwicklung unserer Zeit. Cyberpunk ist ein herausragendes Beispiel für die Bearbeitung philosophischer und kultureller Fragen unserer Zeit. In diesem Kontext ist Cyberpunk 2077 gespielt zu haben, wie Schiller gelesen, Kraftwerk auf Langspielplatte gehört oder „Angst essen Seele auf“ im Kino gesehen zu haben.

Cyberpunk 2077 beschäftigt sich gleich mit mehreren soziokulturellen Fragen. Zum Beispiel wie wir mit technischen Verbesserungen am menschlichen Körper umgehen. Die alternativen Enden hingegen beschäftigen sich mit nichts weniger, als mit der Frage nach dem Sinn des Lebens. Je nachdem, wie man die Gabelungen im Schicksal des Hauptcharakters „V“ wählt, wird diese Frage anders beantwortet. Allen gemein ist meiner Meinung nach das mehr oder weniger erfolgreiche Streben nach Unsterblichkeit.

Der Tod, vor allem der eigene ist kein direktes Tabuthema, aber die Vorstellung irgendwann nicht mehr zu existieren ist so unvorstellbar, dass in meinem sozialen Kreis kaum darüber geredet wird. Ich ignoriere meine eigene Sterblichkeit meistens so gut es geht. Erst wenn nahe Verwandte sterben, werde ich schmerzlich an meine eigne Sterblichkeit erinnert. Wahrscheinlich haben Menschen deshalb verschiedene Strategien entwickelt, sich unsterblich zu machen.

Ewige Jugend

Ob Bäder in Milch, Jungbrunnen oder Drachenblut: Wir haben einen Kult um die Jugend etabliert, dem sich keiner entziehen kann. Wir wollen gesund sein bis ins hohe Alter, wollen keine kahlen Stellen auf dem Kopf und einen durchtrainierten Körper.

Nebst der Tatsache, dass es sich in einem gesunden Körper viel besser aushalten lässt und wir mit dem Alter eine Zunahme an Gebrechen verbinden, laufen wir mit jedem Tag, den wir älter werden, dem unausweichlichen ein Stück entgegen.

Das können wir allerdings vor allem durch die Unbestimmtheit unseres eigenen Todes gut verdrängen. Allerdings steigt die Wahrscheinlichkeit zu sterben mit jedem Tag, den wir leben. Und wenn die Haut sich langsam in Falten legt, der Gang langsamer und der messerscharfe Verstand Stück für Stück durch Altersmilde verdrängt wird, wird es immer schwerer die eigene Sterblichkeit zu verleugnen.

Um die endgültige Perfektion herauszuschieben, gehen wir zum Arzt, trinken viel Wasser, essen das auf neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen basierende Super-Food, machen unser tägliches Workout, tragen Tagescremes auf, lassen uns ein Toupé anfertigen und ab und an ein bisschen Botox. Wann der gesunde Lebensstil zum Jungendkult oder sogar Jugendwahn wird, liegt im gelaserten und gelifteten Auge des Betrachters.

In Geschichten unsterblich

Wer im Geschichtsunterricht aufgepasst hat, kennt Karl den Großen, den Vater des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Erzählungen konservieren nicht nur eine Vorstellung davon, woher wir kommen, warum manchen Dinge sind, wie sie sind, sondern beeinflussen unser Denken und Handeln. Damit sind Menschen nicht nur in ihren Handlungen, sondern auch in ihren Narrativen wirksam.

Der Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt.

Berthold Brecht

Berthold Brecht hat es mit einem Satz auf den Punkt gebracht: „Der Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt.“ Erst, wenn sich keiner mehr an den Karl den Großen erinnern kann, es kein Geschichtsbuch mehr gibt, das seinen Namen in sich trägt, er wirklich vergessen ist, beeinflusst er nicht mehr das Weltgeschehen.

Als deutscher Staatsbürger ist mein Weltbild von einer ganz furchtbaren Geschichte geprägt: Mitte des 20. Jahrhunderts wurde die Welt von Menschen mit faschistischer Ideologie heimgesucht und verwüstet. Dabei wird das Narrativ derer, die diese Ereignisse maßgeblich beeinflusst haben, sicher von dem abweichen, was ich heute erzählen werde. Sie standen auf einer anderen Seite der Geschichte. Erst meine Erzählung fügt eine Wertung hinzu. Auch sie sind auf ihre Art und Weise unsterblich.

Es gibt immer Menschen, die Geschichten erzählen. Und darunter gibt es auch heute gefährliche Narrative. Erzählungen von Überlegenheit und Stärke, von Ansprüchen aus Tradition, von Vergeltung und von selbsternannten Opfern, die zurückfordern, was ihnen zustünde.

Die Verbreitung von Erzählungen hat einen Einfluss. Welche Geschichten ich wem und wie erzähle verändert Denken und Handeln. Deshalb möchte ich die Geschichten reflektieren, die ich erzähle. Ich möchte Narrative bewusst und mit einer Intension verbreiten.

Dazu eine Idee aus einem Reddit-Post: In welchem Kontext wird dein Name das letzte mal fallen? Mit was verbindet dich der Mensch, der das letzte mal an dich denkt?

Meine Kinder sind ein Teil von mir

Auch wenn wir uns als rational darstellen, sind wir als Lebewesen auf Arterhaltung programmiert. Unsere Sexualität und der Impuls uns fortpflanzen zu wollen sind fest in uns verankert. Hormone steuern unsere sexuelle Entwicklung, beeinflussen unser Verlangen nach Sex, die Freude daran, Schwangerschaft und Bindung zum Kind. Wir entscheiden uns nicht für oder gegen unsere Sexualität und suchen sie uns auch nicht aus.

Es ist manchmal schwierig unsere Biologie mit unserer Ratio zu vereinbaren. Insbesondere die Narrative um unsere biologische und sexuelle Identität, zum Beispiel Ethnozentrismus oder Homo- und Transphobie, verstehe ich als Versuch, diesen unbeeinflussbaren Teil von uns zu erklären und zu kontrollieren. Ich muss die Narrative nicht gut finden, kann sie aber nachvollziehen.

Wir wollen für unsere Nachkommen die besten Voraussetzungen schaffen und die besseren Gene oder den leistungslosen ökonomischen Aufstieg weitergeben. Schließlich lebt in unseren Kindern ein Teil von uns weiter.

Ideen sterben nicht

Eine Beobachtung, eine Abstraktion, ein Konzept und ein Modell sind sehr beständig. Newtons Beschreibung der Schwerkraftwirkung und Einsteins Modell von Raumzeit überdauern beide.

Während Geschichte vom Standpunkt des Erzählenden abhängt, sind die Erkenntnisse von Newton und Einstein allgemeiner. Wissenschaft hat zum Ziel allgemeingültige Zusammenhänge zu finden, zu überprüfen und für andere zugänglich zu machen.

Damit haben wir Menschen einen evolutionären Vorteil: Während die Natur auf den Zufall warten muss, bis sie eine vorteilhafte Mutation weitergeben kann, können wir den Generationen nach uns unsere Erkenntnisse zur Verfügung stellen. In der Hoffnung, dass sie die Experimente nicht wiederholen muss, aus dem Wissen ihren Vorteil ziehen kann und das Erbe mit neuen Erkenntnissen anreichern kann.

Im Namen von Ideen können wir aber auch Schaden anrichten: Wenn ich mein Wissen nicht hinterfrage, wird daraus schnell unreflektierter Glauben. Wenn ich meine Ideen anderen aufoktroyiere statt anzubieten, wird daraus ideologische Missionierung. Wenn es mehr um mich, als um die Idee geht, beschädige ich die Glaubwürdigkeit der Idee.

Wenn wir eine originäre Idee uneitel weitergeben, können wir über unser Leben hinaus unsere Gesellschaft beeinflussen.

Die Prämisse der unendlichen Gesellschaft

Eines haben die Erinnerung in Geschichten, die Weitergabe unserer Gene und das Bereitstellen von Ideen gemein: Es muss jemand da sein, der die Geschichten erzählt, der die Kinder aufzieht und der die Ideen versteht. Wir alle sterben mit dem letzten Menschen, der sich an uns erinnert, der Kinder haben möchte und der unser Wissen weiterträgt.

Ich habe hier die Existenz einer Gesellschaft vorausgesetzt. Darf ich das? Unter welchen Umständen kann eine Gesellschaft überdauern? Und was kann ich dazu beitragen, dass meine Gesellschaft lebenswert wird und bleibt?

Fünf Dinge, die mir in den USA gefallen

Nach einem holprigen Start in den USA möchte ich dieses Land mit seinen herausragend positiven Seiten darstellen: Es gibt Dinge, die mir in Austin sehr gut gefallen. Und die möchte ich mit euch teilen. Nicht nur weil ich einfach unglaublich gerne teile, sondern auch als Anregungen, was wir in Deutschland noch besser machen könnten.

Apartment-Komplexe mit Fitnessstudio und Aufenthaltsbereichen

Zum Glück zahlt meine Firma meine Miete, sonst könnte ich mir eine Wohnung im Quincy, Austin absolut nicht leisten. Aber es gibt auch erschwinglichere Apartment-Komplexe, die Annehmlichkeiten bieten. Ganz typisch sind Fitnessstudio, ein Pool und ein Aufenthaltsbereich mit Kaffeeküche. Bei mir sind zum Beispiel auch Arbeitsbereich und ein Fahrradraum dabei.

Das Fitnessstudio im Apartmentkomplex bietet gleich mehrere Vorteile: Das niederschwellige Angebot hilft ungemein die eigene Bequemlichkeit zu überwinden. So kann man auch spontan, zum Beispiel vor oder nach der Arbeit mal eine Runde laufen gehen.

Darüber hinaus sind nur Mieter des Komplexes hier. Deshalb ist es meistens nicht so voll. Außerdem, und das fällt mir etwas schwer zuzugeben, finde ich es angenehm einen sozialen Mix zu haben. Ich habe mich in der testosteronschwangeren Atmosphäre meines Fitnessstudios in Dresden oft unwohl gefühlt. Ich fühle mich ein bisschen besser, wenn ich nicht der einzige „Lauch“ in der Muckibude bin. Schließlich möchte ich mich fit halten und nicht meine kostbare Zeit in Bodybuilder-Aspirationsfantasien investieren.

Die verbringe ich lieber in den Aufenthaltsbereichen. Die sind oft wohnlich möbliert und mit weiteren Annehmlichkeiten, wie Billardtischen und Bluetooth-Lautsprechern ausgestattet. Das allerbeste daran ist allerdings, dass man sich hier mit Freunden oder alleine aufhalten kann ohne etwas konsumieren zu müssen. In diesem hyperkommerzialisierten Land ist dieser Rückzugsort für mich unglaublich wertvoll. Fun-fact: Diese Liste entsteht gerade im Aufenthaltsbereich meines Apartmentkomplex.

Perfekt gepflegte National Parks

Auf meiner „Bucket-List“ steht der Besuch der US National Parks ganz oben. Mit einem lieb gewonnenen Freund habe ich kürzlich drei Parks besucht: Guadalupe Mountains, White Sands und Carlsbad Caverns.

Es ist eine stundenlang Fahrt durch eine wüste Ebene (oder ebene Wüste?), deren höchste Erhebungen die ikonischen Ölbohrtürme sind, bis man von Austin aus diese National Parks erreicht. Das und die wohl schlechteste Pizza aller Zeiten aus einem Pizza Hut in Pecos sind es aber allemal Wert.

Wenn man auf dem McKittrick Trail im Guadalupe National Park läuft, findet man keinen weggeworfenen Zigarettenstummel an den Wegrändern. Wenn man durch den weißen Sand von White Sands läuft, ist trotz der vielen Besucherinnen und Besucher keinerlei Verpackungsmüll im Sand vergraben. Und in Carlsbad Caverns brechen sich trotz der immensen Größe Touristen keine Souvenire aus den Stalagmiten1.

Einen National Park zu besuchen ist ein bisschen wie das Betreten einer heiligen Stätte. Es ist ein Sakrileg, diese Tempel der unberührten Natur mit seinem Abfall zu entehren. Ich habe mich kaum getraut, einen Apfelbutzen in einen Busch zu werfen.

Was das Erfolgsrezept der amerikanischen Nationalparks ist, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Sicher sind die atemberaubende Natur, ausreichende finanzieller Unterstützung und eine gelungenen Öffentlichkeitsarbeit essentielle Bestandteile.

1 Stalagmiten sind die Säulen, die nach oben wachsen. Stalaktiten wachsen nach unten. Meine neu gelernte Merkregel: Das m ist nach oben gewölbt, das t nach unten.

Anti-Diskriminierungstrainings

Zur üblichen Onboarding-Prozedur gehört auch, dass mir gleich zu Beginn eine ganze Stange an Trainings zugewiesen wird. Darunter war auch ein obligatorisches „Anti-Diskriminierungstraining“, das ich so lange aufgeschoben habe, wie es ging. Aus Deutschland bin ich gewohnt, eine Online-Präsentation durchzuklicken und am Ende zehn bis fünfzehn super spezifische aber wenig verständnisfördernde Fragen zum Training zu beantworten.

Auch wenn das Training hier nicht an den Säulen „online“, „durchklicken“ oder „Abschlusstest“ rüttelt, gibt es hier Videos, die den Inhalt plastisch vermitteln. Die Fragen zur Überprüfung des Lerninhalts ergeben sogar Sinn und wirken nicht aus der Luft gegriffen.

Darüber hinaus ist es allerdings weit mehr als dieses Training. Die gesamte Kultur legt sehr viel Wert darauf, diskriminierungsarm zu sein. Die mangelnde Reflektion, die ich vielen Amerikaner*innen bei Umweltbewusstsein und Politikverständnis vorwerfe, wäre bei der Inklusion definitiv unangebracht.

Es scheint auf den ersten Blick paradox, dass das Land des Individualismus mit einer sehr ungleichen Gesellschaft so viel Wert auf Gleichbehandlung legt. Vielleicht ist es gerade das öffentliche Bekenntnis zur Gleichbehandlung, das diese Gesellschaft mit sehr ungleichen Ausgangsbedingungen zusammenhält. Mit Sicherheit ist es eine Folge der soziopolitischen Entwicklung der Vereinigten Staaten.

Begehbare Wandschränke

Kleiderschränke nehmen Platz weg, bei jeder Bewegung brechen Rückwände heraus und egal wie man den Schrank platziert entstehen schwer zugängliche Ritzen, in denen sich der Staub sammelt. Vielleicht hat man auch einen schönen, alten Kleiderschrank, der sich aber schlecht mit den anderen Möbeln kombinieren lässt. Oder man stellt sich einen super teuren Einbauschrank nach Maß zusammen, den man dann aber beim nächsten Umzug nicht mitnehmen kann.

Deshalb bin ich ein designierter Fan von begehbaren Kleiderschränken. Seine Klamotten und auch anderen Krempel hinter einer Wand zu verstecken ist so naheliegend wie genial. Der Platz für den begehbaren Kleiderschrank würde ohnehin durch einen Kleiderschrank eingenommen werden und so hat man statt einer Schrankfront lediglich eine Wand, an der man ein Bild oder ein Regal platzieren kann.

Ich behaupte, dass sich beinahe jede Wohnung problemlos nachrüsten und aufwerten lässt. Für den Preis eines großen Wandschranks lässt sich eine Trockenbauwand mit Gipskarton einziehen. Verputzen, Tapete drüber, einen Teppich und eine Kleiderstange rein und fertig ist der perfekte Stauraum. Das wird auch jede Nachmieterin liebend gerne übernehmen!

Dachterrassen

Es gibt Plätze, die sollten für die Allgemeinheit zugänglich sein. Dazu gehören Parks und Wälder. Leider gibt es von beiden in Austin nicht ausreichend.

Dafür gibt es reichlich Dächer. Ganz egal, ob es der private Apartmentkomplex, das Bürohochhaus oder das Hotel in der Innenstadt ist: Der schönste Ort, die Dachterrasse, ist zugänglich.

Um dem Lärm der Häuserschluchten und der Straßen zu entgehen ist nichts naheliegender, als auf das Dach zu flüchten. Insbesondere wenn die Stadt in der Nacht leuchtet, ist ein kaltes Getränk beim Beobachten der sich bewegenden Punkte und Formen weiter unten beruhigend. Es hat etwas meditatives, in die Weite zu starren und die Gedanken schweifen zu lassen.

Der milde Wind dämpft den Lärm. Aus der Distanz des dreißigsten Stockwerks verschwimmen graue Details. Über sie erhaben wird auch die Betonwüste mild und gnädig.

Bonusmaterial

Oft ist es nicht, dass es mir nicht positiv auffällt, sondern dass ich mir zunächst gar nicht bewusst bin, dass das auf die Liste gehört. Deshalb muss ich diese Liste erweitern. Ich hoffe sehr, dass ich sie immer wieder erweitern kann.

  • Einbauküchen die zur Wohnung gehören: Ich meine, wer kommt auf die Idee „Lass mal diese maßgefertigte Küche für diese Wohnung in eine neue Wohnung umziehen, wo sie nicht reinpasst!“?
  • Peanut Butter filled Pretzels: Erdnussbutter in einem Kissen aus Laugenstangenteig. Health nerf, addiction buff.
  • Drain Weasle: Ein langer, flexibler Plastikstab mit Widerhaken am Ende, mit dem man Haare aus dem verstopften Ausguss gefischt bekommt. Gibt’s für ca. $1 im HEB und ist tausendmal effektiver als Rohrreiniger.
  • River Floating: Sich mit Freunden und Kaltgetränken in einem aufblasbaren Ring einen Fluss heruntertreiben lassen.
  • Dr. Pepper Zero: Sehr süß, in kleinen Dosen, am besten gekühlt und mit präsentem Vanillegeschmack.

Land of the scam

Ich habe lange zweieinhalb Jahre darauf hingearbeitet im Ausland arbeiten zu dürfen. Im September 2023 wurden die Pläne konkret und ich habe mich sehr gefreut, für zwei Jahre nach Austin, Texas gehen zu dürfen. Seit Ende März 2024 bin ich jetzt in Austin, habe meinen ersten Monat hier gelebt, meinen 30. Geburtstag hier gefeiert und meine ersten Erfahrungen gemacht.

Vor allem habe ich mich mit Abendveranstaltungen, einem (absolut notwendigen) Auto und einer Wohnung beschäftigt. Meine ersten Eindrücke von Austin, Texas sind gelinde gesagt nicht die besten. Um die Pointe vorweg zu nehmen: Das hier wird ein Rant auf eine Gesellschaft, die unproduktiv, unehrlich, faul und gierig ist. Wohlwissend, dass ich damit vielen Amerikaner*innen unrecht tue. Deshalb möchte ich gleich vorab die Amerikaner*innen in Schutz nehmen, die mich warm und ehrlich mit offenen Armen empfangen.

Scam #1: Tickets

Eine liebe Freundin mit einem hervorragenden Kulturgeschmack hat mich darauf hingewiesen, dass die Band „Giant Rooks“ nach Austin kommt. Ich beschließe an einem Freitag, dass ich mir Tickets für das Konzert am 4. Mai (Star Wars Tag!) kaufen werde. Im Internet werde ich auch schnell fündig. Da gibt es die Seite TicketsOnSale.com. Ich suche kurz, es gibt die Tickets für $40! Das ist für Konzerte hier ein adäquater Preis. Also lege ich zwei Tickets in den Warenkorb und möchte bezahlen. Es ist alles sehr „convenient“. Ich kann mit Apple Pay direkt vom Handy aus zahlen, muss keine Kreditkarte angeben, sondern nur zweimal auf einen Knopf drücken und mein Gesicht in die Kamera halten.

Mir bleibt kurz der Atem stehen, als ich auf einmal $134 auf der Rechnung sehe. Das sehe ich natürlich erst, nachdem ich bezahlt habe. Ich denke mir, dass da ein Fehler vorliegt, aber nein. Die Seite ist bekannt, stark überhöhte Service-Gebühren zu verlangen. Und ich bin darauf reingefallen. Ich schäme mich.

Ich schaue in meine Mails und versuche den Kauf, wie in Europa mit üblichen 30 Tagen Rückgaberecht, rückgängig zu machen. Das geht nicht, der Kauf ist „final“. Das heißt, ich kann nichts umtauschen. Der Gipfel der Dreistigkeit ist, dass ich ab sofort Werbemails bekomme, ob ich denn nicht noch ein Hotel buchen möchte und ob ich denn zufrieden sei. Ich entschließe mich eine sehr sehr schlechte Bewertung abzugeben und bei der Hotline anzurufen. Natürlich geht nur ein Bot dran, der mit erklärt, dass diese Service-Gebürhen für ihren „premium Service“ fällig werden. Zum Beispiel für die Wartung der Website. Aha.

Ich versuche es positiv zu sehen. Halb so schlimm. Immerhin sind die Tickets echt. Diese Lektion hat mich $50 gekostet. Ärgerlich, aber ok.

Scam #2: Auto

Natürlich kaufe ich kein Auto von einem Privatmenschen. Dafür kenne ich mich zu wenig mit Autos aus. Ich gehe zu einem gut bewerteten Autohaus. Roger Beasley Mazda South. Die nennen sich den größten Mazda-Händler in Nordamerika. Auf der hochglanz-Website findet man Motivationen wie „Fairer Deal“ und „Ehrlichkeit“. Das klingt doch seriös.

Beim ersten Auto, das ich ausprobiere, ist die Motorkontrollleuchte an. Ich reklamiere das, es kommt ein anderer Verkäufer dazu und meint, dass ihm das unangenehm wäre, denn wenn sie sowas feststellen, zeigen sie solche Autos ja eigentlich keinen Kunden. Dann schauen wir uns einen Mercedes E350 aus dem Jahr 2009 an. Ein sehr gepflegtes Auto. Ich bin hin und weg. Wir machen eine Probefahrt, die Bremsen funktionieren gut, der Motor klingt gut, ist nicht gewaschen und leckt nicht. Ich reklamiere allerdings ein seltsames Geräusch, das beim Fahren, insbesondere bei höherer Geschwindigkeit auftritt. Ich frage mehrmals, was mit dem Auto falsch ist und was das für ein Geräusch gibt, wobei mir beide Verkäufer versichern, dass „das ein gutes Auto“ sei und dass „es sehr gut fahren würde“ und der nur $7000 wegen der vielen Meilen kosten würde. Außerdem haben sie ja gerade eine „Safety Inspection“ durchgeführt. Wirklich nur 3 Tage vorher.

Ich kaufe das Auto ein paar Tage später, nur um auf dem Weg vom Händler nach Hause von den seltsamen Geräuschen so verstört zu sein, dass ich einen Termin mit einer unabhängigen Werkstatt mache. Ich habe das Auto keine 100 Meilen bewegt, als ich es in die Werkstatt bringe. Der Checkup sollte nur einen Tag dauern. Noch am selben Tag erfahre ich später Abends, dass das Radlager ausgeschlagen ist, Befestigungsbolzen am Rad fehlen, die Servolenkung leckt und eine Getriebewartung für 70k (ca. 112km) Meilen nach 150k (ca. 240km) Meilen immer noch nicht gemacht worden ist. Der Spaß soll mich $2700 kosten. Ich willige ein, denn mit diesem Sicherheitsrisiko möchte ich nicht zurück auf die Straße. Wenn es das ist, bin ich damit zufrieden. Es ist für mich höchst unbegreiflich, wie dieses Auto die angebliche „Satefy Inspection“ passieren konnte, aber gut.

Zwei Tage später werde ich wegen „einem seltsamen Geräusch“ nochmal einen Tag vertröstet und wiederum einen Tag später kommt die Hiobsbotschaft: Das Differenzial ist bald hinüber und der Tausch kostet $5000. Die Werkstatt meint, dass Roger Beasley das hätte merken müssen, wenn sie sich das Auto überhaupt mal angeschaut hätten. Ich bin kurz vor einem Nervenzusammenbruch: Ich soll insgesamt $8000 in ein Auto stecken, für das ich $7000 gezahlt habe, nur damit ich damit fahren kann? Ich fahre zu Roger Beasley und stelle den Verkäufer zur Rede. Ich habe ja das Auto „As-Is“ gekauft und deshalb muss ich jetzt selbst damit klarkommen. Und die Inspektion? Die haben sie sicher durchgeführt, aber das sei eigentlich nur eine automatische Verlängerung vom System. Was ist mit den falschen Hinweisen beim Verkauf? Die Verkäufer von Roger Beasley würden nie die Unwahrheit behaupten.

Ich tauche mindestens 5 mal bei Roger Beasley auf und stelle den General Sales Manager zur Rede. Das einzige, was ich für mich rausholen kann ist ein Tausch des Mercedes zum Kaufpreis gegen einen Mazda 3 mit 80k Meilen und ich darf noch $5000 draufzahlen. Ich bin nicht zufrieden mit dem Handel, es ist eher eine Vernunftentscheidung. Ich bin traurig, wütend, habe viel Geld verloren und Flashbacks an meine Studententage mit existenziellen Ängsten kommen hoch.

Diese Lektion hat mich mindestens $3000 gekostet. Wahrscheinlich eher $7000, wenn ich den Wert des Mazda 3 betrachte. Ich merke übrigens auch hier erst beim Fahren vom Händler, dass die Reifendruckkontrollleuchte auf einmal anspringt und dass mindestens ein Lautsprecher nicht funktioniert.

Scam #3: Wohnung

Ich brauche eine Wohnung. Bald, schön und im Budget, das mein Arbeitgeber zahlt. Aber für $2600 sollte sich doch was finden lassen. Ich suche sorgfältig die Rainey Street ab. Hier gibt es viele High-Riser, es ist nahe der Innenstadt mit Nachtleben und auch die Firma ist erreichbar. Außerdem ist ein lieber Kollege hier gerade hingezogen.

Also suche ich in der Nähe und werde auch beim „the Quincy“ fündig. Ich bin vor allem von den Annehmlichkeiten überzeugt: Der Co-Working-space ist sehr schick, die Dachterrasse hat einen schönen Blick und am Pool sind viele junge Menschen. Ich entscheide mich für ein Apartment hier, weil es einfach der beste Deal ist.

Allerdinge entscheide ich mich für ein anderes Apartment als das, das ich bisher angeschaut hatte. Ich fange ungesehen mit dem Bewerbungsprozess an, da ich mir sehr sicher bin. Der freundliche junge Mann von der Apartment-Tour gibt mir anfangs Anweisungen, wie ich das mache: Am besten auf der Website. Ach so – man muss noch vor dem Start des Bewerbungsprozesses eine nicht rückerstattbare „Application Fee“ von $450 zahlen.

Unterdessen kündigt mir das Umzugsunternehmen freudig an, dass meine Pakete angekommen sind und wann sie mir die zustellen können. Ich sage, der 27. April wäre hervorragend, aber sie antworten, dass sie an Samstagen leider nicht arbeiten. Also muss ich wohl einen Tag eher, am Freitag, den 26. April einziehen.

Knapp eine Woche nach Bewerbungsstart nutze ich die Besichtigung meiner neuen Wohnung um den jungen Herrn darum zu bitten, meinen Vertrag einen Tag eher, am Freitag, den 26. April beginnen zu lassen. Seine Antwort ist, dass das kein Problem sei, schließlich stehe die Wohnung ja ohnehin leer.

Nach eineinhalb Wochen erkundige ich mich am Montag nochmal, ob der Mietvertrag nun da sei. Schließlich möchte ich am Freitag einziehen. Der junge Mann bedankt sich für den Hinweis und beteuert, sich sofort darum zu kümmern. Was ich bekomme, ist eine Kopie meines Bewerbungsformulars, eine Aufforderung binnen 24 Stunden einen Kautionsnachschuss von über $1000 zu bezahlen und den Zugang zu einem Online-Portal, auf dem ich erstmal meine Miete bezahlen soll. Mindestens 7 Tage vor Einzug – technisch schon jetzt unmöglich.

Zu allem Überfluss geht es mir am Montag Abend rapide sehr schlecht. Einer meiner beiden Tests aus Deutschland bestätigt: Corona. Mist! So ist meine Handlungsfreiheit weiter eingeschränkt.

Es ist Dienstag und mir geht es echt reudig. Ich fühle mich kaum in der Lage, etwas zu tun. Aber Abends bekomme ich den Mietvertrag. Ich sende die ersten Seiten des online zu unterschreibenden Mietvertrages an meine lokale Betreuerin. Sie lässt den Mietvertrag von Fachpersonal prüfen, denn sie weiß; wir sind in den USA und Gott alleine weiß, was in den Geistern der Menschen hier vorgeht, wenn sie Verträge aufsetzen. Ich erinnere mich unwillkürlich an meine Schulzeit: Ich habe mir mit rigorosen „Verträgen“ einen Teil des Pausengelds meiner Mitschüler*innen gesichert. Da war ich 12. Ich bin nicht stolz darauf.

Am Mittwoch bekomme ich Rückmeldung meiner Beteuerin: Der Mietvertrag ist überprüft und für in Ordnung befunden. In dem stehen neben Fristen, die ich schon technisch garnicht mehr einhalten kann auch das Einzugsdatum: Samstag, der 27. April 2024. Ich bin teils verwundert, teils argwöhnisch. Ich unterzeichne alles und schreibe dem Team. Keiner meldet sich.

Donnerstag. Ich gehe raus, obwohl ich Corona habe. Nachmittags bin ich bei meiner neuen Wohnung. Eine Kollegin von dem jungen Mann erzählt, dass der wohl Urlaub hat und deshalb nicht antwortet. Aber sie wird mir weiterhelfen. Ich erzähle ihr von meiner mündlichen Vereinbarung mit dem jungen Mann, sie meint, dass sie um das Umzugsdatum zu ändern den Mietvertrag neu aufsetzen müsse und das gegebenenfalls die Miete ändern würde. Ich sage ihr, dass es mir ziemlich egal ist, wie wir das lösen. Ich will nur, dass mein Zeug morgen geliefert werden kann. Sie setzt einen neuen Mietvertrag auf, lächelt und meint, dass sich der Preis nicht geändert habe. Ich gehe mit dem guten Gefühl, das Problem gelöst zu haben. Zuhause möchte ich den Vertrag unterschreiben und entdecke, dass da auf einmal $2700 Miete drinnen steht, statt der ursprünglichen $2450. Für 13 Monate! Also soll ich ca. $6000 zahlen, damit ich einen Tag früher einziehen kann? Morgen? Viel Zeit zum verhandeln bleibt ja nicht. Selbst der schwäbischste Großgrundbesitzer in Berlin ist flexibler mit Einzugsterminen und nicht so dreist mit den Mietforderungen! Ich bin am Boden zerstört.

Am Tag meines Einzugs fahre ich nochmal zu dem Apartment und treffe dieselbe Frau. Ich erzähle ihr, dass ich auf garkeinen Fall $6000 bezahlen werde um einen Tag früher einzuziehen und hole den gültigen Vertrag raus. Sie entschuldigt sich, und passt das nochmal an. „Jetzt stimmt’s aber!“ Nein – es stehen jetzt $2575 auf dem Vertrag. Den schickt sie mir noch einmal, bis sie den Fehler in ihrer Berechnung findet. Endlich steht der richtige Preis drinnen. Oberflächlich bin ich freundlich. Darunter brodelt es und ich bin höchst skeptisch.

Immerhin habe ich eine Wohnung. Der Preis ist hoch. Auch emotional. Aber diesmal war ich aufmerksam. Es ist ein Pyrrhussieg. Denn ich habe massiv Vertrauen verloren.

Zu guter Letzt

Ich lerne zu schätzen, was ich an Deutschland und Europa habe. Menschen, die nicht darauf angewiesen sind, alles verkaufen zu müssen, was nicht niet- und nagelfest ist, um sich ernähren zu können. Menschen, die eine Tätigkeit gelernt haben, darin ausgebildete Fachkräfte sind und nicht nur die besten Blender, die man für günstig Geld von der Straße auflesen konnte.

Meine ersten Eindrücke sind ernüchternd. Das „Land of the free“ ist das Land der unbegrenzen Unmöglichkeiten.

Ich hatte viel Pech mit den Leuten und Dingen, die mir widerfahren sind. Ich werde positiv in die Zukunft sehen und meine Augen für das schöne offen halten. Aber ich möchte diesen Artikel auch als Warnung sehen, nicht zu naiv in die USA zu gehen. Was oberflächlich nach Freundlichkeit aussieht, ist oft nur eine Verkaufsabsicht.

Nein, ich habe keine Freundin

Ich bin 27 Jahre alt und hatte noch nie eine richtige Freundin. Das heißt nicht, dass ich misogyn, soziopathisch oder entstellt bin. Zumindest nicht zwangsläufig. Ich fühle mich meistens sehr unwohl, wenn das Thema Liebe, Sex und Beziehung aufkommt. Deshalb möchte ich hier schildern, wie ich das empfinde und hoffe, dass der Leser verstehen kann, warum.

Ich gehöre zu den „digital natives“ und bin mit dem Internet aufgewachsen. Deshalb verbringe ich viel Zeit im Netz, unter anderem auf Seiten wie reddit. Unter vielen Subreddits, die ich aktiv lese ist auch r/niceguys. Das ist ein Forum, in dem die abscheulichsten Seiten von meistens jungen Männern gegenüber Frauen zur Schau gestellt werden. Da ich wahrscheinlich keine Teilnehmer der dort dargestellten Communiqués persönlich kenne, kann ich nur vermuten, was in ihnen vorgeht, aber das ist nie eine Entschuldigung für Frauenhass. Persönlich habe ich mich schon sehr falsch gegenüber Frauen verhalten und dafür schäme ich mich sehr. Das werde ich auch nicht loswerden und möchte ich auch nicht kleinreden. Da ich mich aber nicht (mehr) damit identifizieren kann und will, möchte ich auch nicht näher darauf eingehen.

Dennoch fühle ich mich genötigt, diesen Absatz zu schreiben, weil ich mich mit diesem Vorwurf konfrontiert sehe, wenn ich darüber rede, dass ich keine Freundin habe. Gerade gestern habe ich ein gemütliches Bier mit zwei Freunden genossen, als das Thema aufkam. Dabei ist das Schema der Konversation ziemlich charakteristisch gewesen. Zunächst sind beide schockiert, dass ich in meinem Alter noch keine Freundin hatte, das kann ich durchaus nachvollziehen. Dann aber wird der Rückschluss getroffen: Eine Freundin zu haben, ist etwas normales, folglich muss mit mir etwas nicht stimmen. Und ab dann wird es für mich sehr unangenehm. Ich möchte hier ein paar typische Reaktionen schildern.

Es ist ein paar Jahre her, dass ich einen so engen Kontakt zu einem meiner besten Freunde hatte. Damals haben wir uns relativ häufig über Liebe und Sexualität unterhalten. Ich habe zugegebenermaßen gerne gejammert, dass ich keine Freundin finde. Daraufhin meinte er, dass ich „einfach ich selbst sein“ solle. Im Gespräch mit ihm sei ich ja auch umgänglich und entspannt. Ich würde auch so gestelzt hochdeutsch reden und dass das nicht gut ankäme.

Gestern meinte ein anderer Freund zu mir, dass das mit den Frauen garnicht so schwer wäre. Deshalb schlug er mir vor, bestimmte Verhaltensmuster zu adaptieren. Selbiger Freund hat mir YouTube-Videos vorgeschlagen von einem Mann, der Frauen anbaggert und damit erfolgreich ist. Es sei Überwindung der eigenen Comfort-Zone, man müsse Rückschläge vertragen können, deutlich offensiver an die Sache herangehen und einfach mal über seinen Schatten springen. Auch mal seine eigenen Prinzipien nicht ganz so ernst nehmen und einfach machen.

Der weitere Freund, der am gestrigen Gespräch zugegen war, hat laut eigener Aussage (und das ist durchaus plausibel) viel Sex mit wechselnden Partnerinnen. Er könne sich ein Leben ohne Frau nicht vorstellen und mich nicht verstehen. Und dann fing er an zu erzählen, wie das bei ihm so alles gelaufen ist. Wann er sein erstes Mal hatte, wie sich seine Sexualität entwickelt hat, was er dazugelernt hat, wie er zwischen Sex und Liebe differenziert und was er für eine ideale Beziehung hält.

Die drei Beispiele sind exemplarisch für das, was ich zu hören bekomme, wenn ich darüber reden möchte, dass ich keine Freundin habe, mir aber durchaus eine wünsche. Dabei habe ich das Gefühl, dass ich in diesem Moment darauf reduziert werde, keine Freundin zu haben. Das wird als Makel, als Fehler in meiner Person gesehen und den gilt es offenbar zu beheben. Deshalb bekomme ich dann gut gemeinte Ratschläge, gemischt mit ein wenig Unverständnis. Dass das aber zu meiner Person dazu gehört und auch immer dazugehören wird, ist schwer zu vermitteln. Natürlich denke ich manchmal, dass mir etwas fehlt, aber bisher hab ich auch ohne Freundin überlebt. Ich bin nicht weniger ich selbst, weil ich keine Freundin habe. Im Gegenteil; das gehört auch zu meiner Person dazu und das ist erstmal weder gut noch schlecht, sondern es ist einfach so.

Ich empfinde es als anstrengend, wenn ich mir sich teilweise widersprechende Tipps geben lassen muss, was ich verändern und verbessern kann. Ich habe auch viele von diesen Tipps immer mal versucht umzusetzen und bin dadurch trotzdem dort, wo ich jetzt bin. Manchmal finde ich Tipps nicht gut, habe sie bereits erfolglos umgesetzt oder möchte sie nicht umsetzen. Dann heißt es schnell, dass ich mir ja nicht helfen lassen wolle und ich nicht jammern solle. Wenn ich mit einem Freund schon mehr als einmal darüber geredet habe, dann kommt manchmal auch zurück, dass ich dann doch nicht immer mit derselben Leier kommen solle, wenn ich nichts verändern würde.

Natürlich nehme ich konstruktive Kritik gerne an und selbstverständlich versuche ich mich zu entwickeln. Aber wenn ich erzähle, dass ich keine Freundin habe und mir eine wünschen würde, dann nicht, weil ich ein Ideen-Briefkasten oder eine Beziehungs-Sandbox zum ausprobieren bin. Wenn ich darüber reden möchte, dann heißt das meist, dass ich momentan darüber nachdenke und ich jemanden gebrauchen könnte, der mir zuhört.

Ein paar Dinge sind in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten deutlich besser geworden, weil sie gesellschaftlich akzeptiert wurden. Ich bin als „Langzeit-Single“ ein Teil unserer Gesellschaft und auch nicht alleine. Ich versuche meinen Beitrag in der Gesellschaft zu leisten, ein guter Freund und Mensch zu sein. An mir ist nichts falsch und ich bin nicht krank, weil ich keine Freundin habe.

Zum Schluss möchte ich ein weiteres Beispiel von einem weiteren Freund nennen, mit dem ich über dasselbe Thema geredet habe. Es ist ein Kontrast zu dem, was ich bisher erlebt habe und hat sich an einer Feuertonne irgendwann im Dezember letzten Jahres zugetragen. Ich habe ihm erzählt, dass ich bisher keine Freundin hatte, das ich durchaus mit Frauen Kontakt habe, mir auch ein paar Frauen näher gekommen sind. Vieles von dem was ich erlebt habe, sind nicht so schöne Erfahrungen, manche sind besser. Er hat mir zugehört, ab und an erzählt was er wie erlebt hat und als ich mich verabschiedet habe, gesagt: „Du bist gut wie Du bist, ich unterstütze Dich, wenn Du meine Hilfe brauchst und alles andere wird sich zu seiner Zeit ergeben“.

Die Welt hält den Atem an

Es herrscht ein Ausnahmezustand in Dresden, Deutschland, Europa und der Welt. Der hat aber nicht unmittelbar deren Untergang zur Folge. Da die von Regierung und Behörden gerade umgesetzen notwendigen Maßnahmen bei einigen Menschen offenbar ziemlich viel Unsicherheit auslösen, möchte ich ausnahmsweise dieses Format nutzen um meine Meinung in den Äther zu entlassen. Ich möchte dabei mehrere Aspekte nacheinander abdecken.

Entwicklung in Dresden

Seit dem 15. März beobachte ich die Infiziertenzahlen auf der Homepage der sächsischen Landeshauptstadt und dokumentiere diese. Die Fälle scheinen erst einmal in einem überschaubaren Rahmen zu liegen, aber es geht um die Entwickung.

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Die exponentielle Kurve, die ich am 15. März berechnet habe, stimmt nach wie vor. Normalerweise würde ich mich freuen, dass meine Rechnung stimmt, allerdings ist das in diesem Falle eher Grund zur Sorge. In Dresden haben wir nach meiner Rechnung eine Verdopplung der Fallzahl alle 2,2 Tage. Geht das so weiter, ist am 9. April jeder Zehnte der Stadt infiziert. Solch hohe Fallzahlen be- oder überlasten das Gesundheitssystem mit Sicherheit. Darum muss am besten Gestern gehandelt werden. Und genau das passiert.

Gebot der Stunde

Eigentlich sind viele der „besonderen Verhaltensregeln“ nicht so besonders, sondern sollten allgemein akzeptierte Selbstversändlichkeiten sein. So wird bereits seit Jahren und Jahrzehnten das Husten in die Armbeuge propagiert und dennoch ist dieser Kelch offenbar an großen Teilen der Bevölkerung vorbeigegangen. Für all jene, denen das Konzept Händewaschen bisher nicht pädagogisch nähergebracht wurde, besteht nun die Möglichkeit diese Wissenslücke zu schließen.

Eine besondere Aufmerksamkeit ist in dieser Lage der Hygiene zu schenken. Dabei geht es ausnahmsweise nicht um den Frühjahresputz, sondern expizit um Desinfektion und damit den Schutz vor Infektion. Dazu klärt zum Beispiel die Hygieneschulung von teamsachsen.de über die richtige Handhabung von Desinfektionsmitteln auf.

Außerdem sollte Abstand gehalten werden. Das heißt 2m Abstand zu den Mitmenschen auf der Straße, möglichst nicht in Gruppen oder gemeinsam in Räumen aufhalten und so weiter. Bevor man sich allerdings ehrfürchtig gottgegebenen Regeln unterwirft, darf durchaus vorher der Verstand eingeschaltet werden. So ist die 2m Regel in den engen Gängen des Supermarkts nur schwer umzusetzen. In dieser Situation einfach zügig an anderen Menschen vorbeigehen, Kontakt vermeiden und nicht hysterisch werden.

Appell von Bürger zu Bürger

Seit heute gilt eine allgemeinverfügte Ausgangsbeschränkung für die Landeshauptstadt. Das ist aber keineswegs eine Überreaktion. Ich bewerte diesen Schritt als durchaus angemessen, denn nach wie vor scheint die individuelle Freiheit einiger weniger für ebendiese weit über dem Wohl der Gesellschaft zu stehen. Die eigenen vier Wände für Tätigkeiten zu verlassen, die nicht dem eigenen Überleben oder dem Überleben anderer dienen ist in dieser Lage unverantwortlich und egoistisch, da sie das Überleben aller bedrohen.

Es sollte eigentlich selbstverständlich sein, dass jetzt draußen Biertrinken (auch am Wochenende) keine angemessene Reaktion ist. Aufhalten im Park und Spazierengehen ist nach wie vor erlaubt und für Hundebesitzer auch unausweichlich. Alle anderen müssen sich die Frage stellen, ob das wirklich absolut unabdingbar ist oder ob ein offenes Fenster und eine Tasse Kaffe nicht auch ausreichend frische Luft und Entspannung bringen können. Auch Einkaufen gehen ist im Moment kein adäquater Zeitvertreib, sondern eine lebenswichtige Notwendigkeit.

Einkaufen wird deshalb nicht von einer Ausgangsbeschränkung geahndet werden. Das heißt aber auch, dass dieses Recht nicht missbraucht werden sollte, um „Bummeleinkäufe“ zum Zeitvertreib zu unternehmen. Im Kontrast sind auch Hamsterkäufe unangebracht. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz gibt eine Orientierungshilfe für einen angemessenen Einkauf. Es ist weder die Zeit für tägliche Supermarktkaffeekränzchen noch für Klopapierplünderzüge.

Aufruf zur Solidarität

Noch nie war es einfacher für Normalsterbliche zu Helden des Alltags zu werden: Bleibt zuhause und ein zweiundachzigmillionstel Stückchen Ruhm gebührt euch! So werdet ihr zu Unterstützern derer, die heute wirkliche Heldentaten am lebenden Subjekt vollbringen. Am liebsten würde ich jedem einzelnen Danken, aber dabei würde ich sicher jemanden zu unrecht vergessen. Ich hoffe, dass der Verweis auf RBB an dieser Stelle sein übriges tut.

Nicht nur ausgebildetes Personal, sondern jeder Einzelne kann helfen. Sachsen, Dresden und deren Bürger haben dazu mehrere Hilfsportale eingerichtet, an die sich besonders gefährdete Mitmenschen und verantwortungsbewusste Bürger wenden können, um Hilfe bei Alltagssituationen zu bekommen.

Aus persönlicher Sympathie möchte ich an dieser Stelle auf die Einkaufshilfe der Jusos Dresden verweisen, die per Mail, aber auch per Telefon (0351 8969 2000) erreichbar sind.

Nun verbleibt mir nichts anderes mehr als zu hoffen und Gesundheit respektive gute Genesung an alle zu wünschen.

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